Die Principessa
einen Bischof oder Kardinal. Und jetzt erwartet Urban ständig neue Wunderdinge von mir.«
»Also, mir fielen da schon ein paar Dinge ein, in denen du ein Genie bist.«
»Nein, im Ernst. Er hat einen Plan für mich aufgestellt wie in der Schule. Ich soll bildhauern, ich soll malen, ich soll Architektur treiben, damit ich wie Michelangelo alle drei Künste beherrsche. Als hätte der Tag achtundvierzig Stunden. Und als wäre das nicht genug, lässt er mich fast jeden Abend zu sich rufen. Dann redet und redet er von dem neuen Rom,
seinem
Rom, das ich für ihn erschaffen soll. Erst bei Tisch, dann in seinem Schlafgemach, stundenlang, nicht mal im Bett hört er auf zu reden, bis ihm die Augen zufallen, und ich darf erst gehen, wenn ich die Vorhänge zugezogen habe.«
»Wie, du bringst den Papst ins Bett?«, Costanza hob drohend den Zeigefinger.
»Bitte, mir ist nicht nach Witzen zumute. Wie soll ich das denn alles schaffen? Schlaflose Nächte bereitet mir dieser Mann. Weißt du, was er gestern Abend verlangt hat? Ich soll den Hochaltar in Bronze ausführen! Jeder, der auch nur ein bisschen was von der Sache versteht, schlägt bei dem Gedanken die Hände über dem Kopf zusammen. Unter diesem Gewicht kracht doch der Boden ein, und der verfluchte Altar rauscht zum heiligen Petrus in die Gruft. Außerdem, woher soll ich solche Unmengen Bronze nehmen?«
»Und warum weigerst du dich dann nicht?«
»Ich? Mich weigern?« Lorenzo schnaubte. »Und wenn ich dreimal der neue Michelangelo bin – der Papst ist der Papst!« Er nahm wieder Meißel und Schlägel zur Hand und hämmerte in einem solchen Tempo an Costanzas Büste, als wolle er sie nochvor dem Abend fertigstellen. »Davon abgesehen«, brummte er nach einer Weile, »der Altar ist die Chance meines Lebens. Wenn ich das schaffe, dann …« Statt zu sagen, was dann geschehe, hämmerte er weiter stumm vor sich hin. »Herrgott noch mal!«, brauste er auf. »Wie zum Teufel soll das gehen? Wer legt mir das Fundament, das einen solchen Aufbau trägt? Und erst der Baldachin! Der wiegt doch so viel wie die halbe Kuppel!« Wütend warf er Schlägel und Meißel zu Boden. »Maderno hat Recht, der alte Scheißer – Recht, Recht, Recht! Ich kann das nicht, und ich will das auch gar nicht können. Ich bin Bildhauer, verflucht noch mal, kein Ingenieur!«
»Mein armer kleiner Lorenzo«, sagte Costanza und stand von ihrem Schemel auf. »Was meinst du, wollen wir für heute nicht lieber mit der Arbeit aufhören?«
Sie streichelte Lorenzos Wange und schaute ihn dabei mit ihren großen Augen so verführerisch an, dass ihm ganz flau im Magen wurde. Plötzlich war er wie verwandelt.
»Hast du eigentlich gar keine Angst, dass dein Mann Verdacht schöpft?« Er grinste.
»Matteo? Der hat nur einen Wunsch – dass ich glücklich bin!«
»Costanza, Costanza«, sagte Lorenzo. »Wenn es die Sünde nicht gäbe, ich glaube, du würdest sie erfinden.«
»Pssst«, machte sie und legte ihm einen Finger auf die Lippen. Dann lächelte sie ihn an, wie Eva einst ihren Adam angelächelt haben mag, und streifte sich das Hemd von den Schultern. Bloß und nackt, wie Gott der Herr sie erschaffen hatte, beugte sie sich über die Obstschale, nahm eine Frucht und drehte sich damit zu ihm herum. »Sag, mein Liebster«, hauchte sie, »möchtest du vielleicht einen Apfel?«
6
Rom, den 22. September 1623
Meine lieben Eltern,
jetzt bin ich schon sechs Wochen hier, doch erst heute finde ich die gehörige Muße, Ihnen zu schreiben. Ich habe deshalb ein furchtbar schlechtes Gewissen, aber es ist so vielerlei passiert, dass ich zuversichtlich bin, Sie werden mir verzeihen.
Die Überquerung der Alpen war ein Erlebnis, welches ich mein Lebtag nicht vergessen werde. In Graubünden mussten wir warten, bis es zu schneien aufhörte. Unterdessen wurde unsere Kutsche in Einzelteile zerlegt und zusammen mit dem Gepäck auf Maulesel gebunden. Dann haben unsere Führer (einfache, aber herzensgute Bauern) uns in Biberpelze gesteckt: Bibermützen, Biberhandschuhe, Bibersocken – Sie haben ja keine Ahnung, wie kalt es da ist in der dünnen Luft –, und in Tragestühlen ging es endlich weiter.
Die Geschicklichkeit der Bergführer ist unvorstellbar. Sie haben Schuhe mit Nägeln unter den Sohlen, damit sie auch bei Schnee und Eis sicheren Tritt und Halt haben. Solchermaßen bewehrt, sind sie mit uns wie Gämsen den Mont Cenis hinaufgeklettert, immer zwei von ihnen mit einer Sänfte. William hat die ganze Zeit mit den Zähnen
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