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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Urbans Grabmal in so wunderbarer Weise den Schrecken genommen hat?«
    »Ich muss gestehen, Heiliger Vater, ich wähnte dem Tod nicht an diesem Ort zu begegnen, erst recht nicht an einem solchen Tag.«
    »Gerade hier und heute ist es an der Zeit, uns seiner zu erinnern«, erwiderte Alexander. »Es war meine erste Anweisung, den Sarg hier aufzustellen, als Mahnung, wie kurz das Leben ist. Es gibt so viel zu tun, was Gott uns aufgetragen hat. Darum«, fuhr er in geschäftlichem Ton fort, »wollen auch wir uns nicht mit langen Vorreden aufhalten und zur Sache kommen. Als Kardinal Chigi habe ich dir Aufträge erteilt, die dem Glanz meiner Familie dienten, nun aber stellen wir dir eine Aufgabe, die zum Ruhm der ganzen heiligen Kirche gereichen soll – die größte und schwerste Aufgabe, die in Rom zu erledigen ist. Ich denke, du weißt, wovon wir sprechen.«
    »Ihr meint«, fragte Lorenzo vorsichtig, »die Vollendung der Lateranbasilika, Eurer Bischofskirche?«
    »Wir meinen die Vollendung des Petersplatzes«, erklärte der Papst. »Vor dem Dom soll die herrlichste Piazza entstehen, welche die Menschheit je gesehen hat. Ein würdiger Vorhof für den größten Gottestempel auf Erden, Ehrenmal der päpstlichen Würde und Schmuck der Stadt Rom.«
    Lorenzo spürte, wie sein Herz in einer Mischung aus Freude undBestürzung höher schlug. Seit dem Abriss des Glockenturms war die Basilika ein Torso, der sich aus einer Wüste von Trümmern erhob, den Überresten des alten Sankt Peter. Madernos Fassade, die auf hohe Türme zu ihrer Begrenzung berechnet war, musste diese für immer entbehren, da nach dem drohenden Einsturz der Front niemand mehr wagte, den Fundamenten die Last so hoher Aufbauten zuzumuten. Papst Alexanders Auftrag bedeutete nun die Möglichkeit, auch ohne Türme die Wucht von Madernos Fassade, hinter der die Kuppel förmlich verschwand, nicht nur zu korrigieren, sondern durch die Gestaltung des Platzes womöglich in einen Vorteil zu verwandeln. Was für ein kühner Gedanke! Und was für eine gewaltige, ja übermenschliche Aufgabe!
    »Ich bewundere den Plan Ewiger Heiligkeit«, sagte Lorenzo zögernd, um seine momentane Ratlosigkeit zu verbergen. »Breite Straßen und offene Plätze fördern nicht nur das Wohlbehagen der Bewohner einer Stadt, sie tragen auch dazu bei, Fremde aus fernen Ländern anzuziehen …«
    »Deine rasche Auffassungsgabe ist uns bekannt, Cavaliere.«
    »Um den Platz zu erweitern, damit er den Vorstellungen Ewiger Heiligkeit entspricht, werden wir allerdings gezwungen sein, die angrenzenden Straßen zu begradigen und viele kleine Behausungen abzureißen, damit sie die vornehmen Gebäude nicht länger verdunkeln und beengen …«
    »Sehr richtig«, unterbrach Alexander ihn ein zweites Mal, »und darum hast du völlig freie Hand in der Wahl deiner Mittel. Reiße nieder, was immer du willst – um aufzurichten, was Gott und deine Vorstellungskraft dir eingeben.« Alexander zwirbelte seinen Bart und schaute aus seinen schwarzen Augen auf ihn, die in ihren Höhlen über der scharf gekrümmten Nase fast zu glühen schienen. »Hast du vielleicht schon eine Idee, Cavaliere?«
    Lorenzo zögerte. Wie stellte der Papst sich das vor? Woher sollte er schon jetzt eine Idee haben? Für ein Projekt von solchen Dimensionen? Er brauchte Zeit, um zu überlegen, Entwürfe zu zeichnen, Berechnungen anzustellen. In der Hoffnung,dass Alexander ihm seine Verlegenheit nicht anmerkte, beschloss er, ihn um ein paar Tage oder Wochen Bedenkzeit zu bitten.
    »Mit gütigster Erlaubnis Ewiger Heiligkeit«, setzte er an, doch die Worte zerfielen ihm auf der Zunge wie modrige Pilze.
    Mit offenem Mund starrte er Alexander an. Es war wie eine Erscheinung. Einem Monument gleich, erhob sich der Pontifex vor ihm auf dem Thron, den Oberkörper eingehüllt in einen mächtigen Umhang, die Arme links und rechts auf den hohen Lehnen seines Stuhls, als würde er den ganzen Raum umfangen. Wie ein Blitz durchfuhr Lorenzo die Erkenntnis: Dieser Mann verkörperte den Glauben, die heilige katholische Kirche – er
war
die Kirche in Person.
    Und ehe er überlegen konnte, was er von sich gab, hörte Lorenzo sich sagen: »Ich stelle mir Eure Kirche wie eine menschliche Gestalt vor, Heiliger Vater. Der Kopf trägt die Kuppel wie eine Tiara, die Breite der Schultern wird durch die Fassade bezeichnet, die ausgebreiteten Arme gleichen Arkaden, die sich von der Mitte aus fortsetzen, während die Beine die Zugangsstraßen des
borgo
markieren. Ja, Ewige

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