Die Principessa
Heiligkeit«, fügte er, plötzlich seiner Sache völlig sicher, hinzu, »so und nicht anders sehe ich die Piazza vor mir.«
Alexander hob überrascht die Brauen. »Unsere Kirche als eine menschliche Gestalt?«
»Ja, Heiliger Vater«, entgegnete Lorenzo und warf den Kopf in den Nacken, »Sinnbild des menschgewordenen Gottes und zugleich machtvolles Symbol seines Stellvertreters.«
»Ich sehe, wir haben den richtigen Mann für unsere Aufgabe erwählt.« Alexander nickte, dann hob er den Arm, wie um Lorenzo zu segnen. »Hiermit ernennen wir dich zum Architekten der apostolischen Kammer und lassen dir künftig ein Salär von monatlich zweihundertsechzig Scudi anweisen. Jetzt aber geh und mache dich an die Arbeit! Ich bin begierig, deine Pläne zu sehen.«
Lorenzo trat vor, um sich über Alexanders Hand zu beugen.Während er den Fischerring küsste, erfasste ihn eine Woge der Zufriedenheit. Päpstlicher Hofarchitekt – das war der einzige Titel, der ihm bislang noch nicht zuteil geworden war. Innozenz hätte sich zu einer solchen Ernennung niemals durchgerungen, und wenn er hundert Jahre alt geworden wäre. Jetzt lag ihm nur noch eine Frage auf der Seele.
»Ist etwas?«, fragte Alexander, als er sein Zögern spürte.
»Ja, Heiliger Vater«, antwortete Lorenzo. »Donna Olimpia – ist sie auch unter Eurer Regentschaft mit den Bauvorhaben des Vatikans befasst?«
3
»Ich verlange, den Papst zu sprechen!«
»Tut mir Leid, Eccellenza, der Heilige Vater meditiert.«
»Schon wieder?«, fragte Donna Olimpia, schäumend vor Wut.
»Er hat auch gestern und vorgestern meditiert – die ganze letzte Woche! Wenn Seine Heiligkeit so weitermacht, kommt sie noch schneller in den Himmel, als ihr lieb ist.«
Ja, Papst Alexander war nicht nur ein Schöngeist, er war auch ein frommer und sittenstrenger Mann. Ein Aufatmen war darum durch die Stadt gegangen, als seine Wahl verkündet wurde. Schon als Kardinal hatten die Römer Fabio Chigi, der mit seinem dunklen Bart und den markanten Gesichtszügen sowohl in den Kirchen als auch auf den Straßen ein vertrauter Anblick war, wegen seines redlichen Charakters geschätzt, und nun, da er die Macht im Staat übernommen hatte, sollte er sein Volk nicht enttäuschen. Während sein Wappen, die vom Stern bekrönten Hügel, in Rom bald so allgegenwärtig war wie einst die Bienen der Barberini, setzte er alles daran, der verletzten öffentlichen Moral Genugtuung zu verschaffen. Ohne Rücksicht auf Standesprivilegien räumte er unter den Günstlingen seines Vorgängersauf und brachte dem allgemeinen Unwillen sein erstes und bedeutendstes Opfer dar: Donna Olimpia.
Drei Tage nach Innozenz’ Beisetzung – die Kosten hatte schließlich ein Domherr von Sankt Peter übernommen – hatte die Schwägerin und engste Vertraute des verblichenen Papstes ein Schreiben bekommen, das mit dem Siegel der Rota Romana versehen war. Darin wurde ihr in wenigen Sätzen mitgeteilt, dass eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden sei. Unter acht Hauptrubriken klagte man sie schwerster Verbrechen an: vom Meineid über Bestechlichkeit bis hin zur Veruntreuung von Staatsgeldern. Seitdem sprach sie jeden Morgen im Vatikan vor, um beim neuen Papst eine Audienz zu erlangen. Doch vergebens. Alexanders Kammerherr, ein Lakai, den sie vor wenigen Wochen noch mit einem Fingerschnippen ins Nichts hätte befördern können, blickte mit seinem feisten Gesicht so hochmütig auf sie herab wie der Koch eines Herrscherpalastes auf eine Bettlerin, die am Kücheneingang um einen Teller Suppe bittet. Donna Olimpia musste sich beherrschen, um ihn nicht zu ohrfeigen.
»Richten Sie Seiner Heiligkeit aus, dass ich morgen wieder komme!«
»Es wird keinen Zweck haben, Eccellenza. Der Heilige Vater lässt Ihnen sagen, Sie hätten den Papst in der Vergangenheit so oft zu sehen bekommen, dass es Ihnen wohl ein Leichtes sei, dieses Glückes in Zukunft zu entbehren.«
»Ich werde es trotzdem versuchen.«
»Das würde ich Ihnen nicht raten.« Der Hochmut im Gesicht des Kammerherrn wich dem kalten, gleichgültigen Ausdruck der Amtsgewalt. »Der Heilige Vater befiehlt Ihnen, vorläufig in Ihrem Geburtsort Viterbo Unterkunft zu nehmen, um dort den Ausgang Ihres Prozesses abzuwarten.«
Es dauerte einige Zeit, bis Donna Olimpia den Sinn dieses Bescheids begriff. Verstört wandte sie sich ab und eilte die Stufen des päpstlichen Palastes hinunter, um in ihre Kutsche zu steigen, in der Hoffnung, dort die Klarheit ihrer Gedanken
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