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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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der Lärm des Pöbelsin der dunklen Kirche so unwirklich nach, als stammte er aus einer anderen Welt. Francesco zündete sechsundvierzig Kerzen an, für jeden Monat ihrer Abwesenheit eine, und während im aufflackernden Lichterschein ihr marmornes Antlitz allmählich aus der Dunkelheit hervortrat, kniete er vor dem Seitenaltar nieder. Es hieß, die Principessa sei zurück nach England gereist, wo sie inzwischen ein zweites Mal geheiratet habe. Donna Olimpia hatte Francesco davon in Kenntnis gesetzt.
    Fast vier Jahre war die Principessa nun fort. Ohne einen Gruß war sie abgereist, und nicht einen einzigen Brief hatte sie ihm aus England geschickt. Francesco hatte seither jede Stunde, jeden Tag seiner Kunst geweiht. Hatte er keinen anderen Glauben mehr? Die Arbeiten an der Sapienza kamen ebenso gut voran wie die am Palazzo Pamphili, und die Neugestaltung der Propaganda Fide näherte sich bereits ihrer Vollendung. Nur auf diese Weise, in der völligen Hingabe an sein Werk, vermochte er die Leere zu ertragen, die er seit dem Fortgang der Principessa verspürte. Obwohl sie ihn verraten hatte, fühlte er sich ohne sie so allein, dass es ihn im hellen Sonnenschein fröstelte, wenn er durch die Straßen mit all den fremden Menschen ging. Ohne Hoffnung, je wieder in ihre Augen zu schauen, je wieder ihre Stimme zu hören, dünkte ihm die Zukunft wie eine endlose Wüstenei: Er würde einen öden Tag nach dem anderen verbringen und ihrer aus der Ferne gedenken, in der quälenden Vorstellung, wie sie lebte, glücklich war, geliebt wurde und vielleicht auch selber liebte.
    Unmerklich bewegten sich seine Lippen, als erzähle er ihrem stummen Abbild von seinen Plänen. In der Einsamkeit seines Herzens formte er Worte der Liebe, die in einem steten Strom aus ihm hervorquollen, unterbrochen nur von den Flüchen auf seinen Rivalen, der dieses Bildnis einst erschaffen hatte, und dem Husten seiner gequälten Lunge.

2
    Die Taube der Pamphili hatte sich kaum in die Lüfte erhoben, um einem besseren Jenseits zuzustreben, da zog ein strahlender Stern über den Hügeln Roms am Himmel auf: das Wappen der Familie Chigi. In seltener Eintracht hatte das Heilige Kolleg Kardinal Fabio Chigi zum neuen Nachfolger Petri erkoren. Doch am Tag der Krönungsfeierlichkeiten, dem 18. April des Jahres 1655, ging ein schwerer Hagelsturm auf die Stadt nieder und richtete in den Weinbergen schlimme Verwüstungen an. Betroffen fragten sich die Römer: War dies ein böses Omen, mit dem das neue Pontifikat begann?
    Die Dämmerung war noch nicht angebrochen, da durchschritt Lorenzo Bernini, angetan mit dem Habit des Cavaliere di Gesù, die langen Flure des Vatikans, begleitet von einem Offizier der Schweizergarde, der ihn an den wartenden Prälaten und Botschaftern vorbei zum Audienzsaal des Papstes führte. Nicht anders als zu seiner Zeit Urban VIII. ließ auch Alexander VII. ihn noch am selben Tag, an dem er den Heiligen Stuhl bestieg, zu sich rufen. Was der neue Papst wohl von ihm wollte?
    Lorenzo kannte Fabio Chigi schon seit geraumer Zeit. Innozenz’ Pontifikat hatte sich dem Ende zugeneigt, da waren sie einander in der
anticamera
des päpstlichen Palastes begegnet – zwei Männer, die einander auf den ersten Blick als ihresgleichen erkannten. Der Monsignore war gerade als Nuntius aus Köln zurückgekehrt und berichtete Lorenzo, welchen Ruhm der erste Künstler Roms in deutschen Landen genoss. Lorenzo war entzückt. Seitdem hatte Kardinal Chigi ihm zahlreiche Aufträge erteilt, wobei Lorenzo zu seinem Erstaunen festgestellt hatte, dass dieser gebildete Kirchenfürst die Architektur nicht nur liebte, sondern in ihr sogar zu dilettieren verstand: Chigi besaß die Fähigkeit, mit freier Hand schwierigste geometrische Figuren zu zeichnen. Es bedurfte darum nur weniger Worte, um ihm eine Idee oder einen Entwurf zu vermitteln.
    »Ewige Heiligkeit!«
    Kaum hatte der Offizier die Flügeltür geöffnet, sank Lorenzo auf die Knie, um Chigis Fuß zu küssen, denn der Mann, den er als ebenso verständigen wie großzügigen Auftraggeber kannte, war von heute an kein gewöhnlicher Mensch mehr, sondern der Stellvertreter Gottes. Gerade wollte er sich erheben, da zuckte er zusammen: Neben dem Thron des Pontifex stand, mit geöffnetem Deckel und im Innern mit weißen Seidenpolstern ausgeschlagen, ein dunkel glänzender Sarg aus poliertem Ebenholz.
    »Verwirrt dich der Anblick, Cavaliere?«, fragte Alexander ihn mit einem feinem Lächeln. »Dich, einen Mann, der dem Tod auf

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