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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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meine Mutter!«
    »Und was wird aus uns? Sie verseucht den ganzen Palast!«
    Camillo hob die Arme zum Himmel, hilflos wie ein Kind und gleichzeitig voller Wut über die eigene Ohnmacht. Olimpia faltete die Hände und murmelte ein Ave Maria – für mehr reichten ihre Kräfte nicht mehr: »Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder …« Während sie die Worte sprach, schaute sie in das Gesicht ihres Sohnes, in sein rundes, helles Kindergesicht. Wie oft hatte sie es gestreichelt, mit ihren Küssen, mit ihrer Liebe bedeckt! Alles, was sie in ihrem Leben getan hatte, hatte sie für ihn getan.
    »Ihre Befehle, Principe!«
    Camillo war wie gelähmt. Sein Mund klappte auf und zu, ohne dass er einen Ton hervorbrachte.
    Da trat seine Frau an die Brüstung und rief den Sbirren zu: »Ihr wisst, was ihr zu tun habt! Wenn sie das Haus beschmiert hat, bringt sie fort!« Dann schloss sie das Fenster.
    Olimpia sah es, ohne zu begreifen. Es war, als würde sie in einen Abgrund stürzen.
    »Camillo …«, flüsterte sie, »… was … was tust du?«
    Immer noch stand er am Fenster, die Arme erhoben, während seine Frau im Zimmer verschwand. Verzweifelt reckte Olimpia ihm die Hände entgegen. Was geschah hier? Er konnte das nichtzulassen! Er war doch ihr Sohn! Und was für ein guter Sohn! Der beste Sohn der Welt!
    Noch einmal trafen sich ihre Blicke. Camillo schlug die Augen nieder.
    »Im Namen des Senats!« Die Sbirren packten Olimpia an den Armen und zerrten sie fort. Mit einem Ruck seines mächtigen Körpers wandte Camillo sich vom Fenster ab.
    »Was tut ihr …? Ich bin … Donna Olimpia … Olimpia … Pamphili … die Herrscherin von Rom …«
    Dann wurde sie ohnmächtig. Die Sbirren nahmen sie zwischen sich und warfen sie auf ihren Karren.

18
    Als Olimpia aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, glaubte sie, den Palazzo Spada zu erkennen. Oder war es der Palazzo Farnese? Sie konnte es nicht mehr unterscheiden, alles war ihr so fremd und vertraut zugleich. Vollkommen entkräftet, die Sinne verwirrt, spürte sie nicht einmal das Rattern und Rumpeln der Räder in ihrem schmerzenden Leib, in dem das Fieber wütete wie eine Feuersbrunst.
    »Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade …«
    Irgendwo in der Nähe hörte sie Glockengeläut, ganz hell und fein und zart, während der Geruch von Weihrauch in ihre Nase drang. Halbnackte Büßer rutschten auf Knien eine Treppe empor und geißelten ihre Leiber, während zwei Pestknechte dieselbe Treppe eine Leiche hinunterschleiften, an den Beinen, sodass der Kopf auf jeder Stufe aufschlug, als würde der Tote zum Zeichen seines Einverständnisses wieder und wieder nicken.
    »Der Herr ist mit dir! Du bist gebenedeit unter den Weibern … «
    Olimpia fühlte in ihrer Hand die glatten, kühlen Perlen ihres Rosenkranzes, während sich in den Geruch von Weihrauch immer mehr der süße Duft der Verwesung mischte. Der Karren rumpelte jetzt auf den Ponte Sisto zu, der über den Tiber führte. Vor jedem Haus, vor jeder Tür lagen die Toten, die meisten nackt, während ihre Kleider in großen Feuern verbrannten und ihre Angehörigen Gruben aushoben, um die Reste zu verscharren.
    »Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus …«
    Plötzlich sah sie Camillos Gesicht. Ihr Sohn war doch noch gekommen! Er liebte sie, ja, er ließ sie nicht im Stich! Zärtlich lächelte sie ihn an, in süßer Seligkeit. Wie klug er doch war! Er wusste, sie hatte Geld, und Geld war Macht, war Größe, war Glück – stärker als alle Angst, stärker sogar als der Tod.
    »Den du, oh Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast …«
    Was war das? Hinter Camillo tauchten zwei Frauen auf, zwei Huren, geschminkt und in bunten Kleidern. Die Fürstin Rossano und Clarissa. Sie lachten und zerrten Camillo am Arm – sie wollten mit ihm tanzen.
    »Der für uns mit Dornen gekrönt worden ist …«
    Irgendwo spielte eine Kapelle. Olimpia schaute sich um. Da sah sie, dass die Straße voll war von tanzenden Menschen, Männern und Frauen, die einen in Lumpen, die anderen in kostbaren, prunkvollen Gewändern. Sie lagen einander in den Armen und drehten sich im Kreise, schneller und schneller, während die Kleider in Fetzen von ihren Leibern abfielen, die Kleider und die Haut und das Fleisch, bis nur noch ihre tanzenden Gerippe übrig waren.
    »Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder …«
    Was für ein Fest! Jetzt fielen auch Camillo und seine Huren in den Reigen ein, lachten und tanzten und drehten sich im Kreise,

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