Die Principessa
während die Gedanken in ihrem Kopf durcheinander wirbelten wie eben die Bettfedern auf dem Campo. War Clarissa jetzt die Hure von Borromini? Das Luder hatte sie gezwungen, einen Vertrag zu unterschreiben. Doch Olimpia dachte nicht daran, ihn zu erfüllen. Borromini wollte ein Dutzend Häuser für seinen Platz abreißen – niemals würde sie ihr Vermögen für einen solchen Wahnsinn hergeben. Ihr würde schon ein Ausweg einfallen. Hauptsache, dass von Clarissa keine Gefahr mehr ausging.
Diese unerträgliche Hitze! Sie staute sich unter dem Wagendach wie die Luft unter einer Wolkendecke, bevor sich das Gewitter erbrach. Olimpia hielt es nicht länger aus. Wenn sie nur das Fenster öffnen könnte! Die Luft war so stickig, dass es ihr den Atem verschlug, zudem war ihre Brust vom Mieder eingeschnürt,als würde man sie knebeln. Sie machte ein paar Knöpfe ihres Kleides auf, doch es wurde nicht besser. Die Hitze wallte in ihrem Körper wie in den Jahren, als ihre monatlichen Blutungen allmählich versiegt waren. Hatten die Stufenjahre immer noch kein Ende? Sie riss das Mieder auf und schnappte nach Luft. Die Befreiung verschaffte ihr ein wenig Linderung. Doch mit jedem Schlagloch, mit jeder Erschütterung wuchsen die Schmerzen in ihren Gliedern. Von draußen tönte dumpfer Trommelschlag – Stadtbüttel, die zum Leichendienst riefen.
Plötzlich zuckte Olimpia zusammen: »Heilige Muttergottes!«
In der Leiste fühlte sie eine Schwellung, so groß wie ein Ei. Sie schloss die Augen und presste die Zähne aufeinander, so heftig, dass sie laut knirschten. Sie auch? Das konnte nicht sein! Sie war doch die ganze Zeit in Viterbo gewesen! Aus der Dunkelheit grinste Don Angelo sie an, seine stechenden Augen schielten unter dem Rand seiner Kapuze zu ihr herauf, während seine wulstigen Lippen sich zu einem höhnischen Grinsen verzogen. Was hatte er so zu feixen? Auf einmal juckte es sie am ganzen Körper, unter den Armen, zwischen den Schenkeln, überall. Hatte er sie mit seinen Flöhen angesteckt?
Entsetzt riss sie die Augen auf – doch außer ihr saß niemand in der Kutsche. Gott sei Dank! Erleichtert schlug sie ein Kreuzzeichen. Don Angelos Fratze war nur ein Trugbild gewesen, eine Fiebertäuschung, genauso wie die Schwellung in ihrer Leiste. Wie hatte sie nur so kleingläubig sein können? Sie stand doch unter dem Schutz des allmächtigen Gottes, die Schwarze Rosa hatte ihre Gebete erhört.
Zögernd, als habe sie Angst, noch einmal zu fühlen, was sie bereits gefühlt hatte, tastete sie mit ihrer Hand nach ihren Schenkeln.
Nein, sie hatte sich nicht getäuscht: ein großes, hartes Ei.
»Mach kehrt!«, rief sie dem Kutscher zu. »Zum Palast meines Sohnes!«
Sie musste Camillo sehen! Er war ihr Sohn, er würde ihr helfen – die besten Ärzte Roms würde er rufen, Professoren der Sapienza.Sie hatte Geld, sie konnte sich so viele Ärzte leisten, wie sie wollte – alle Ärzte der Stadt. Doch halt! War es klug, zu Camillo zu fahren? Wenn sein Haus bewacht wurde? Alexander war kein Dummkopf, vielleicht ahnte er, dass sie es in Viterbo nicht aushalten würde … Herrgott, warum war sie nur hierher gekommen?
Der Schweiß floss ihr jetzt in Strömen vom Leib. Noch einmal tastete sie nach der Beule. Da … da war die Stelle! War sie es wirklich? Die Schwellung kam ihr jetzt viel kleiner vor, kaum größer als eine Walnuss. Hatte sie nicht oft von Frauen gehört, die in den Stufenjahren über Geschwülste im Unterleib klagten? Sicher war ihre Angst unbegründet, ganz sicher sogar – wie sollte sie sich angesteckt haben? Viterbo war frei von der Pest.
Diese entsetzliche Hitze … Mit ihrem Schleier fächelte sie sich Luft zu. Nein, sie hatte keine Ruhe – ein Arzt musste ihr sagen, dass sie gesund war.
Sie zog ihren Rosenkranz aus dem Ärmel und fing an zu beten. Wie wohl taten ihr doch die glatten, kühlen Elfenbeinperlen zwischen den Fingern, wie viel Halt und Trost hatten sie ihr im Leben schon gegeben! Man musste sich nur an ihre einfache Ordnung halten, um wieder zur Besinnung zu gelangen: Auf jedes Vaterunser folgten zehn Ave Maria, und zusammen bildeten sie ein Gesätz, und davon hatte man fünfzehn zu beten, die fünf freudenreichen und die fünf schmerzreichen und die fünf glorreichen Geheimnisse der Erlösung, in dieser Reihenfolge, immer wieder und immer wieder.
»Hoooh! Haaah! Brrrrr!«
Waren sie schon da? Olimpia ließ den Rosenkranz sinken. Vorsichtig schob sie den Vorhang beiseite und spähte aus dem
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