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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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am Wettbewerb zu beteiligen – genauso wie Bernini.«
    »Mag sein, Principessa. Aber meine Entwürfe sind meine Kinder und ich will nicht, dass sie um das Lob der Welt betteln gehen und dabei Gefahr laufen, es nicht zu erlangen.«
    »Ach, wäre nur Monsignore Spada noch da!«, seufzte Clarissa.
    Bei der Erwähnung dieses Namens fielen beide in ein langes, tiefes Schweigen. Denn Virgilio Spada war tot: Der Pest hatte dieser kleine, kluge Mann zwar getrotzt, doch war er im Winter einer Darmentzündung erlegen, von der ihn weder die Gabe von Rizinusöl noch eröffnende Klistiere hatten befreien können. Obwohl er fürchterliche Schmerzen hatte leiden müssen, war er im Frieden mit Gott aus der Welt geschieden. »Nun ist es für uns beide Zeit zu gehen«, hatte er zu Francesco gesagt, der nach der Letzten Ölung an seinem Bett gesessen hatte. »Ich mache mich auf in eine andere Welt, Sie aber setzen hier Ihren Weg fort. Wer von uns beiden dem besseren Ziel entgegengeht, wissen wir nicht.« Dann hatte er ihn ein letztes Mal angeschaut und mit einem Lächeln hinzugefügt: »Erinnern Sie sich, was Seneca sagte? ›Wir fürchten nicht den Tod, sondern den Gedanken an ihn.‹ Wie oft habe ich Sie für diese Worte getadelt, und nun spenden sie mir selber so viel Trost wie die Worte des Herrn …«
    Hätte Virgilio Spada verhindern können, was nun geschehen war? Francescos Entlassung durch Camillo Pamphili war eine Schmach, die nicht ohne Folgen blieb. Als Erster meldete sich der Sekretär der Akademie zu Wort. Scharf verurteilte er BorrominisBaustil als gefährliche Verirrung und empfahl, seine Werke bei der Ausbildung künftiger Architekten nicht mehr zu berücksichtigen. Die Konservatoren der Stadt Rom verlangten von ihm eine Garantie auf fünfzehn Jahre, dass die Kuppel von Sant’ Ivo nicht unter ihrer eigenen Last zusammenbreche, verbunden mit der Verpflichtung, jeden etwaigen Schaden auf eigene Kosten reparieren zu lassen. Immer mehr Auftraggeber zogen sich daraufhin von dem einstigen Baumeister des Forum Pamphili zurück, und nur wenige Wochen nach Spadas Tod beschloss die Kongregation des heiligen Filippo, als deren Bauprobst der Monsignore Borromini einst entdeckt hatte, die Westseite des Oratoriums, eines von dessen frühesten und bedeutendsten Werken, abzureißen und durch einen neuen Bau zu ersetzen.
    Und da sollte Francesco nach Paris gehen? Um mit Bernini in Wettbewerb zu treten? Nein, das war vollkommen ausgeschlossen! So kritisch er selbst sein eigenes Werk stets betrachtet hatte, sich nie mit dem Erreichten begnügen mochte, ja nicht einmal mit dem Vollkommenen zufrieden war, hatte er noch mehr unter der Kritik seiner Widersacher gelitten, selbst während der kurzen Zeit seiner Triumphe, da die Huldigungen häufiger waren als der Tadel. Doch jetzt, nach dem Ausschluss aus der Akademie, konnte er die Angriffe nicht länger ertragen, empfand sie wie Anschläge auf sein Leben.
    Willenlos überließ er sich den dunklen Mächten des Saturn, jeglichen Antriebs beraubt. Noch nie hatte ihn eine solche Niedergeschlagenheit ergriffen, eine solche Mutlosigkeit, verbunden mit dem verzweifelten Gefühl, am Ende angekommen zu sein, am Ende seiner ganzen Existenz. Es war, als habe man ihn in den Olymp gerufen, nur um ihm mitzuteilen, dass dort sein Platz nicht sei. Bis tief in die Nacht saß er abends am Kamin, starrte reglos in die Flammen, ohne Kraft, sich von der Stelle zu rühren oder irgendeine Tätigkeit auszuüben. Und obwohl er sich in seinem tiefsten Innern nach Trost und Anteilnahme sehnte, nach einer Hand, welche die seine mitfühlend drückte, gelang esihm nicht einmal in Gegenwart der Principessa, sich aus dieser Erstarrung zu befreien.
    »Wissen Sie«, fragte er sie einmal, als sie zusammen am Feuer saßen, »wie Abraham sich fühlte, als Gott ihn verdammte, seinen Sohn zu opfern? Ich glaube, ich weiß es. Die Piazza war meine kühnste Idee, der großartigste Einfall, den ich je hatte – der ideale Platz. Alles ist da, in meinem Kopf, es müssten nur die Steine aufeinander gesetzt werden. Und doch wird die Welt untergehen, ohne dass mein Platz je Gestalt annimmt. Diese Vorstellung ist schlimmer als alles andere.« Er blickte in die Glut und nickte. »Sollte es Gott einst gefallen, mich zu sich in sein Paradies zu rufen, werde ich noch dort darüber weinen.«
    Er sagte das ganz ruhig, ganz sachlich, und doch spürte Clarissa die unendliche Trauer in seinen Worten. Sie konnte nachempfinden, wie ihm zumute war

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