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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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totenähnlichen Schlaf fiel, aus dem er erst nach vielen Stunden wieder erwachte. Doch war dieses Erwachen noch schlimmer als der Schlaf, denn die anschließenden Tage verbrachte er stets in einem Zustand vollkommener Niedergeschlagenheit,den die Ärzte
hypochondria
nannten. Spaziergänge und Ruhe verordneten sie ihm zur Abhilfe, Ruhe vor allem und keinerlei Aufregung.
    Wie aber sollte er solchen Rat befolgen? Seine Gegner, so sie ihn überhaupt der Beachtung für würdig befanden, verhöhnten ihn ärger denn je. »Eckenabschneider« nannten sie ihn, doch kaum machte sein Rivale Bernini es ihm nach und ersetzte an seinen Bauten den rechten Winkel durch konkave Einzüge oder Rundungen, feierten sie ihn wie ein Genie, als habe er die Baukunst neu erfunden. Von Triumph zu Triumph eilte der Cavaliere, so geschwind wie ein Strauchdieb mit dem Beutesack auf seinem Rücken. Immer dreister, immer unverschämter bediente er sich am Schatz von Francescos Ideen, überall erkannte dieser in den Bauten des anderen seine eigenen Einfälle wieder – in der ganzen Stadt schauten sie ihn an, aus Kirchen und Palästen, überall, wie Kinder ihren treulosen Vater, mit vorwurfsvollen Blicken, als habe er sie verraten und ausgesetzt. Die Scala Regia: ein billiger Abklatsch seiner Kolonnade im Palazzo Spada! Sant’Andrea al Quirinale: ein groteskes Zerrbild von San Carlo! Sämtliche Bauten des Cavaliere – nichts weiter als schlechte Kopien der seinen! Immer öfter, wenn Francesco über seinen Entwürfen saß, hatte er das Gefühl, Bernini schaue ihm über die Schulter. Er spürte die Augen des Rivalen in seinem Rücken, den gierigen, wollüstigen Blick, der alles in sich aufsog, die Formen, die Ideen, den Geist. Aber das ließ er nicht zu, er ließ sich nicht länger bestehlen! Jede Zeichnung, jede noch so flüchtige Skizze schloss er des Abends fort, versteckte sie im Schrank, im Speicher, auf dem Dachboden, nahm sie mit in sein Bett und presste sie im Schlaf noch an den Leib wie ein treusorgender Vater seine schutzbedürftigen Kinder. Ha, der große Mann würde schon sehen, wo er ohne seine Ideen blieb! Austrocknen sollte er! Verhungern!
    Denn während Lorenzo Bernini unablässig seinen Ruhm und Reichtum mehrte, wurde ihm, Francesco Borromini, fast alles genommen, woran sein Herz hing. Kaum eine Baustelle von Bedeutung war ihm geblieben – gerade dass er noch die Fassadevon San Carlo fertigstellen durfte. Alle seine großen Pläne aber, wie sein Entwurf für die Sakristei von Sankt Peter, blieben Träume: Beiträge für das Buch, das er mit der Principessa noch in diesem Jahr abschließen wollte. Selbst die Vollendung von Sant’ Agnese musste er wie ein Fremder erleben. Die zwei Glockentürme der Kirche, seine Antwort auf Berninis Desaster mit dem Campanile der Basilika, führte Giovanni Maria Baratta auf, ein Mann, der einst unter ihm als Steinmetz gearbeitet hatte.
    Die Nachbarin, die noch immer seinen Haushalt versorgte, weckte Francesco aus seinen schwarzen Gedanken.
    »Es ist angerichtet, Signor.«
    Gestützt auf ihre Schulter, schleppte er sich in die Küche, um seine Gemüsesuppe zu essen.

25
    Trommeln wurden gerührt, Fanfaren ertönten, und über zweimal hunderttausend Menschen, die zur Mittagsstunde das riesige Oval vor der Basilika Sankt Peter füllten, verrenkten sich die Hälse. Durch das größte Tor der Welt, die Öffnung der Kolonnaden, hielt die Kavalkade des Pontifex Maximus unter Glockengeläut und Salutschüssen Einzug, während sich das Menschenmeer auf der Piazza teilte wie einst das Rote Meer bei der Ankunft Moses: ein endloser Lindwurm kirchlicher und weltlicher Würdenträger, der sich mit langsamen Schritten voranbewegte, angeführt von einer Division der Schweizergarde sowie den Barbieren, Schneidern, Bäckern, Gärtnern und sonstigen Domestiken des päpstlichen Haushalts, alle zu Pferde und angetan mit prachtvollen Livreen, die nur von den Gewändern der Konservatoren der Stadt Rom übertrumpft wurden, deren Umhänge aus Silberlamee bis zum Boden reichten. Erst dann folgte der neue Papst selbst, in einem schlichten offenen Karren,der von zwei weißen Mauleseln gezogen wurde, in seinem Gefolge die Kardinäle in ihren purpurnen Gewändern und den flachen, mit Troddeln besetzten Hüten, ein jeder von ihnen auf einem Maulesel, und schließlich zu Fuß die Bischöfe und Prälaten, die Monsignori und Pfarrer sowie die Scharen von Abgesandten der ausländischen Staaten.
    Über eine Stunde dauerte es, bis der

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