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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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verbessern, hatte Papst Alexander die Reiselizenz schließlich schweren Herzens unterzeichnet.
    Mit einem Seufzer steckte Lorenzo seinen
passaporto
ein. War es wirklich der Ruf des Monarchen, der ihn zu dieser Reise bewegte? Was konnte Paris ihm bieten, was er in Rom nicht längst besaß? Seit Alexanders Thronbesteigung war seine Stellung wieder unangefochten – er und kein anderer war der erste Künstler der Stadt. Der neue Papst schätzte ihn noch mehr, als selbst Urban esgetan hatte, rief ihn täglich an seinen Tisch und traf keine Entscheidung, ohne ihn zu Rate zu ziehen.
    Nein, es waren andere Gründe, die Lorenzo aus Rom vertrieben, und obwohl er sich gegen die Einsicht sträubte, kannte er sie in seinem tiefsten Innern nur zu gut. Es war die Angst vor dem Alter, die Angst vor dem Tod. Jeder Blick in den Spiegel, jeder Blick in die Augen einer jungen Frau gab ihm zu spüren, dass seine Jahre gezählt waren. All die Dinge, die das Leben schön und lebenswert machten, schwanden dahin und verblassten, nur weil seine Haut, dies elende Kleid seiner Knochen, welk wurde und zerschliss wie der Stoffbezug eines ausgedienten Fauteuils. Dabei fühlte er in sich immer noch dasselbe pochende Herz, denselben Hunger nach Glück, dasselbe Bedürfnis nach Liebe. Mit Puder und Salben bekämpfte er den unsichtbaren Feind, der so sichtbare Spuren an seinem Leib hinterließ, trank übel riechende Essenzen und Öle, die ihm jedoch so wenig über das nagende Gefühl der Vergeblichkeit hinweghalfen wie seine zahllosen Versuche, den Schrecken des Todes mit Hilfe seiner Kunst in Marmor zu bannen. Auch wenn Paris ihm nicht die Jugend zurückgeben konnte, würde die Reise ihm vielleicht doch für ein, zwei Jahre Aufschub auf dem Weg des Verfalls gewähren.
    »Man hat mir gesagt, Sie wollen uns verlassen, Cavaliere?«
    »Principessa? Wie schön, Sie zu sehen!«
    Lorenzo hatte gar nicht gehört, wie sie in sein Studio gekommen war, so vertieft war er in seine Gedanken gewesen. Blass sah sie aus, ihre Augen glänzten, als habe sie Fieber – ihr Anblick löste sogleich heftige Gewissensbisse in ihm aus. Eilig ließ er seine Sachen liegen und beugte sich über ihre Hand.
    »Niemals wäre ich aufgebrochen, ohne mich von Ihnen zu verabschieden. Aber Sie wissen ja selbst, wie viele Vorbereitungen so eine Reise erfordert. Oh, was ist das? Ein Geschenk?«, fragte er irritiert, als sie ihm, statt Platz zu nehmen, eine zugeschnürte Rolle reichte. »Sie beschämen mich, Principessa!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht von mir«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich … ich bin nur die Überbringerin.«
    Neugierig öffnete er die Verschnürung und rollte den Bogen auf. Als er das Blatt sah, stutzte er.
    »Sie bringen mir eine Zeichnung?«
    Es war der Grundriss eines Platzes, ein geschweiftes Oval, von dessen Zentrum Sichtlinien zu einer vierfachen Säulenreihe ausgingen, die den Platz umschloss.
    »Ja, Cavaliere«, sagte sie leise, fast flüsternd.
    Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den Plan: ein ganzes System einander überschneidender Kreise und Achsen. Warum vierfache Arkaden? Und was hatten die Sichtlinien zu bedeuten? Alles wirkte einfach und klar und trotzdem irgendwie geheimnisvoll. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er hielt den Atem an: Was für ein Geniestreich! Was für ein kühner, großartiger Gedanke!
    »Von wem stammt der Entwurf?«, fragte er mit rauer Stimme.
    »Der Name spielt keine Rolle.«
    »Der Plan ist genial – der Entwurf für einen idealen Platz. Aber weshalb zeigen Sie ihn mir? Brauchen Sie eine Empfehlung? Für einen Auftraggeber?« Er griff zu einer Feder auf seinem Schreibtisch. »Gern! Jederzeit!«
    Clarissa schüttelte ein zweites Mal den Kopf. »Der Plan ist für Sie, Cavaliere. Nehmen Sie ihn und bauen Sie die Piazza!«
    »Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
    »Doch«, sagte sie. »Tun Sie es anstelle des Mannes, der den Entwurf gezeichnet hat. Ihm fehlen die Mittel und die Möglichkeiten, ihn auszuführen.«
    Lorenzo gab ihr das Blatt zurück. »Tut mir Leid, aber das werde ich nicht tun.«
    »Und wenn ich Sie darum bitte?«
    »In wessen Namen?«
    »Im Namen der Kunst.«
    »Ausgeschlossen! Die Ehre verbietet es mir.«
    »Die Ehre – oder Ihr Ehrgeiz?«
    »Beides.« Er räusperte sich, dann fügte er hinzu: »Ich glaube, ichweiß, von wem der Plan ist. Ich … ich kenne seine Art zu zeichnen.«
    »Dann nehmen Sie meine Versicherung entgegen, dass ich Sie in seinem Auftrag bitte.«
    Sie

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