Die Principessa
verleihen. Im selben Augenblick hatte sie alles vergessen, was sie sagen wollte. Sie spürte nur noch seine Hand. So groß und kräftig diese war, fühlte sie sich ganz glatt an, ganz zart. Es müsste schön sein, von dieser Hand gestreichelt zu werden. Wieder lächelte er sie an.
»Miss Whetenham!«, keuchte eine Stimme hinter ihr. »
My dear god, finally I’ve found you
.«
»William?« Clarissa ließ erschrocken Castellis Hand los. »Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie liegen krank im Bett!« Ihr Tutor stand vor ihr, den Kopf in einen riesigen Schal eingewickelt, sodass nur seine rote Hakennase, an deren Spitze ein dicker Tropfen hing, hervorlugte.
»Das tat ich auch!«, schnaubte er und wischte sich den Tropfen von der Nase. »Italien!!!«, rief er mit einem vorwurfsvollen Blick auf Castelli. »Sogar das Wetter machen hier die Jesuiten. Die Sonne brennt vom Himmel, dass sie einem das Hirn im Schädel versengt, aber man erkältet sich schlimmer als im dicksten Nebel von London. Hier«, sagte er dann und reichte Clarissa einen Brief, »der ist eben angekommen. Von Ihren Eltern.« Er schloss die Augen, und mit einem Seufzer fügte er hinzu: »
From merry old England
.«
14
Whetenham Manor, den 29. August 1625
Liebe Clarissa
,
ich grüße Dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Mit Bitterkeit und Schmerz schreibe ich Dir heute, mein Kind. Jakob, unser geliebter König, ist für immer von uns gegangen. Gott möge seiner Seele gnädig sein und ihn zu sich in sein himmlisches Reich rufen.
Sosehr mir der Tod dieses großen Mannes zu Herzen gegangen ist, muss ich nun, nachdem meine Augen wieder getrocknet sind, den Blick in die Zukunft richten. Du weißt, wie sehr Du Jakob mit Deiner mutwilligen Reise nach Rom erzürnt hast. Jetzt aber steht Deiner Heimkehr nichts mehr im Wege. Onkel Graham, der im neuen Kabinett wohl ein Portefeuille übernehmen wird, hat mir zugesichert, Du seiest am Hofe König Karls willkommen; die Rede ist sogar davon, Dich, so Du erst verheiratet bist, Königin Henriette als Hofdame vorzuschlagen.
Zögere also nicht länger und kehre heim! Auch Dein künftiger Gemahl, Lord McKinney, dieser vorzügliche Mann, kann es kaum erwarten, Dich in seine Arme zu schließen. Damit Du auf der Reise über die nötigen Barmittel verfügst, habe ich einen gehörigen Betrag zu Deinen Gunsten bei der italienischen Bank in London deponiert. Mit der beigeschlossenen Zahlungsanweisung kannst Du in jeder größeren Stadt davon Gebrauch machen.
Spute Dich, mein Kind, und begib Dich auf die Reise, bevor der Winter hereinbricht!
Es segnet Dich für eine glückliche Heimfahrt
Dein Dich liebender Vater
Lord Whetenham, Count of Brackenhamshire
Als Clarissa den Brief zu Ende gelesen hatte, zitterten ihre Hände so sehr, dass die Unterschrift ihres Vaters vor ihren Augen verschwamm wie Tinte auf feuchtem Grund.
»Jetzt werde ich Ihre Türme wohl wirklich nicht sehen«, sagte sie leise und schaute auf.
Doch Castelli war schon fort.
»Einfach verschwunden«, schnaubte William. »Ohne einen Gruß. Italienische Sitten!«
Sosehr er sich bemühte, ein grimmiges Gesicht zu ziehen, sowenig wollte es ihm gelingen. Der Rückruf in die Heimat erfüllte William mit so hemmungsloser Freude, dass er darüber nicht nur sein Fieber, sondern sogar das jesuitische Wetter vergaß. Endlich war das letzte Kapitel seines Werkes in Sicht: Die »Reisen in Italien, unter besonderer Berücksichtigung der mannigfaltigen Verführungen und Verlockungen, welche in diesem Lande zu gewärtigen sind« drängten ihrer Vollendung entgegen – unsterblicher Ruhm war ihm gewiss! Und sie saßen noch nicht in der Kutsche, um von Sankt Peter zur Piazza Navona zu fahren, da redete er schon von den Vorbereitungen, die es für die Rückkehr zu treffen galt. Er verglich die möglichen Reiserouten, auf denen sie wieder nach England gelangen konnten, im Hinblick auf ihre Bequemlichkeit und ihre Länge, während Clarissa sich mühte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
»Wie siehst du nur aus?«, fragte Donna Olimpia erschrocken bei ihrer Ankunft im Palazzo und schickte die Amme mit dem kleinen Camillo aus dem Zimmer. »Bist du krank?«
Sie schloss die Tür des Salons und nahm Clarissa in den Arm. Bei der Berührung konnte Clarissa die Tränen kaum noch zurückhalten.
»Ich muss heim nach England«, sagte sie und zeigte ihr den Brief.
Während sie mit erstickter Stimme die Worte ihres Vaters ins
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