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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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eigentlich gestorben?«
    »Halt endlich den Mund«, zischte Francesco, »oder ich bringe dich um!«
    »Jetzt tu mal nicht so! Oder hast du vielleicht ein schlechtes Gewissen? Weil du in letzter Zeit mehr auf meinen als auf seinen Baustellen gewesen bist?«
    Francesco gab keine Antwort. Lorenzo schielte ihn von der Seitean. Waren das Regentropfen auf seinen Wangen oder tatsächlich Tränen?
    »Was bist du nur für ein komischer Kauz!«, sagte er und packte Francesco am Arm. »Wir zwei haben jetzt für alle Zeiten ausgesorgt. Stell dir vor, ich habe nicht nur den Dom, sondern auch den Palazzo Barberini von Maderno geerbt. Und du bist mein
assistente
, auf beiden Baustellen und auf allen anderen, die noch hinzukommen werden. Das verspreche ich dir.«
    Endlich drehte Francesco sich zu ihm um. Die scharfe Falte zwischen seinen Augen versprach nichts Gutes.
    »Daraus wird nichts«, sagte er. »Du musst dir einen anderen suchen.«
    »Wie bitte? Bist du jetzt beleidigt?«
    »Nein. Ich gründe eine eigene Werkstatt – als Architekt.«
    »
Was
willst du? Wovon willst du leben?«
    »Ich kann ein paar kleine Aufträge übernehmen, die Maderno mir hinterlassen hat. Er hat mich noch auf dem Totenbett empfohlen.«
    »Mir kommen die Tränen!«, rief Lorenzo wütend. »Und was wird aus mir? Wie soll ich die ganze Arbeit schaffen, ohne dich? Der Altar, der Palazzo, die neuen Türme am Pantheon, die ich nur bauen muss, weil dein Maderno die Idee hatte, den Dachstuhl auszuplündern – von der Büste des englischen Königs, die Urban mir aufgehalst hat, gar nicht zu reden!«
    »Du schaffst das schon. Du hast immer geschafft, was du wolltest. Außerdem hast du ja deinen Vater und deinen Bruder.«
    »Undankbar bist du! Wer hat die Aufträge für deine Steinmetze besorgt, am Pantheon und im Dom? Ich war das! Ich! Ich! Ich! Ohne meine Hilfe wäret ihr alle verhungert. – Aber was tue ich da?«, unterbrach er sich plötzlich und schlug sich vor den Kopf. »Bin ich jetzt auch verrückt geworden? Nein, ich will nicht mit dir streiten. Du bist mein bester Freund.«
    Lorenzo nahm den Hut ab, kniete nieder vor dem Grab und schlug das Kreuzzeichen, um ein Vaterunser für den Toten zu beten. Die tausendmal gesprochenen Worte waren Balsam fürseine Seele. Wieder und wieder flüsterte er sie, mehr als ein dutzend Mal. Als er sich endlich beruhigt hatte, erhob er sich, nahm die Schaufel, die neben dem Grab im Boden steckte, und warf damit Erde auf den Sarg, bevor er wieder die Hände faltete wie Francesco, der an seiner Seite mit einer stummen Verbeugung Abschied von Maderno nahm.
    »Zugegeben, er war ein großer Architekt«, murmelte Lorenzo, für einen Augenblick ergriffen, und starrte auf den mit Erde und Blumen bedeckten Sarg. »Glaub mir, ich wäre gern früher gekommen, aber ich kann Beerdigungen nicht ertragen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich eines Tages auch in so einer Holzkiste liege und die Würmer an mir nagen …« Er schüttelte sich, als könne er damit den Gedanken verscheuchen, und blickte Francesco an. »Jetzt sag endlich, warum willst du nicht bei mir bleiben? Musstest du zu viel arbeiten? Habe ich dir zu wenig gezahlt?«
    Francesco schien ihn nicht zu hören. Mit bloßem Kopf, das Haar ganz nass, stand er da und schaute über das Grab hinweg, als suche er etwas in dem grauen Regenhimmel. Er war der seltsamste Mensch, den Lorenzo kannte, so vollkommen anders als er selbst: ein störrischer Eigenbrötler, der niemals lachte, stets in sich gekehrt war, manchmal geradezu verstockt, dabei stolz und jähzornig. Trotzdem mochte Lorenzo ihn, ja, liebte ihn sogar mehr als seinen eigenen Bruder – Francesco war der einzige Mensch, der ihm widersprechen durfte. Warum nur? Weil er Eigenschaften besaß, die ihm, Lorenzo, fehlten? Nein, es war mehr als technisches Geschick, Sorgfalt, Fleiß. Es war etwas Tieferes, etwas Schicksalhaftes, das sie miteinander verband. So wie zwei Zwillinge, die für alle Zeiten miteinander verbunden waren.
    »Es gibt eine Frau«, sagte Francesco endlich, wie zu sich selbst.
    »Seit ich ein Mann bin, habe ich auf sie gewartet, und jetzt bin ich ihr begegnet. Aber sie verachtet mich, weil ich ein Steinmetz bin. Sie geht mir aus dem Weg.«
    »Ach, so ist das!« Lorenzo pfiff leise durch die Zähne. »Das istallerdings ein Grund, den ich verstehe. Aber glaubst du«, fragte er dann behutsam und vorsichtig, »sie wird Respekt vor dir haben, wenn du nur die Reste erledigst, die Maderno übrig gelassen hat? Hier ein

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