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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Wort, aber sie fand keins.
    »Außer dass du ihn liebst?«, führte Olimpia ihren Satz zu Ende.
    »Ist es das, was du sagen willst?«
    Wollte sie das? Clarissa war so verwirrt, dass sie es selbst nicht wusste. Vielleicht hatte sie das sagen wollen, vielleicht auch nicht. Aber wenn es so war: War Liebe etwas Schlimmes? Oder gar eine Krankheit? Sie liebte Gott, und jeder lobte sie dafür, sie liebte ihre Eltern, sie liebte Donna Olimpia, und auch das war gut und richtig. Warum sollte es dann schlecht sein, einen Mann zu lieben? Vielleicht, weil diese Liebe doch etwas anderes war als die Liebe zu Gott oder zu ihren Eltern oder zu ihrer Cousine?
    »Was, Olimpia«, fragte Clarissa ängstlich, »was soll ich jetzt tun?«
    »Du weißt selbst die Antwort«, sagte ihre Cousine.
    »Ich? Wie sollte ich?«
    »Du musst nur auf deinen Verstand hören – auf deinen Verstand, Clarissa, nicht auf dein Herz! Das ist das Wichtigste von allem.«
    Clarissa sah in das besorgte Gesicht ihrer Cousine, und plötzlich tauchte eine Erinnerung vor ihr auf: Olimpia und Monsignore Pamphili in der morgengrauen Kapelle des Palazzos, wie sie einander umschlungen hielten auf der Bank vor dem Beichtstuhlam Tag von Pamphilis Abreise nach Spanien. War dies das große Geheimnis zwischen Mann und Frau? Clarissa schloss die Augen und atmete tief durch.
    »Ja«, sagte sie schließlich. »Du hast Recht. Sobald William gesund ist, reise ich ab.«

15
    Carlo Maderno, der greise Dombaumeister von Sankt Peter, der sich seit geraumer Zeit nur noch im Tragestuhl fortbewegen konnte, starb an einem trüben Januartag im Alter von dreiundsiebzig Jahren, nachdem er über ein Vierteljahrhundert die Bauhütte der größten und bedeutendsten Kirche der Christenheit geleitet hatte. Da es kalt war in Rom, die Verwesung des Leichnams also nicht zur Eile zwang, wurden seine sterblichen Überreste erst sechs Tage nach seinem Tod beigesetzt, auf dem Friedhof von San Giovanni dei Fiorentini unweit der Kettenbrücke am rechten Ufer des Tiber.
    General Barberini, der kränkliche Bruder des Papstes, führte die Trauergemeinde an, die, begleitet von den dunklen Schlägen der Totenglocke, im langsamen Schritt dem von vier Rappen gezogenen Leichenwagen folgte, die Steinmetze, Maurer und Zimmerleute mit ihren Zunftfahnen, die regennass von den Stangen herunterhingen, die Marmorbildhauer und die Baumeister: der alte, von der Last der Jahre gebeugte Pietro Bernini, gestützt auf seinen Sohn Luigi, und natürlich Francesco Castelli, Madernos Schüler und
assistente
, der in den letzten Jahren auf seinen Baustellen mehr und mehr die Aufsicht übernommen hatte; weiter hinten der junge, ehrgeizige Pietro da Cortona, der mit dem Pinsel ebenso gut umzugehen verstand wie mit dem Meißel; dann Alessandro Algardi, über dessen Stuckfiguren in San Silvestro al Quirinale gerade alle Welt redete, Seite an Seitemit Martino Longhi, der in Santi Abrogio e Carlo die Entwürfe seines vor zehn Jahren verstorbenen Vaters ausführte, gefolgt von François Duquesney, einem Flamen, der überaus prachtvolle Heiligenbildnisse schuf. Gemeinsam trugen sie an diesem Tag den Mann zu Grabe, der als einer der ersten Baumeister Roms den dreifaltigen Gott mit so üppig schwellenden Formen aus Marmor und Stein zu preisen wagte, dass sich in ihren Bewegungen die Kraft des Schöpfers selbst zu offenbaren schien, und der noch persönlich mit Giacomo della Porta zusammengearbeitet hatte, dem letzten Schüler Michelangelos.
    Nur einer fehlte, um Maderno die letzte Ehre zu erweisen: Gian Lorenzo Bernini. Er traf auf dem Friedhof erst ein, als der Sarg bereits in der Erde ruhte. Seinen Vater und seinen Bruder, die ihm am Friedhofstor begegneten, ließ er ohne ein Wort stehen und eilte weiter, bis er den Mann entdeckt hatte, nach dem er suchte: Francesco stand allein mit gefalteten Händen als Einziger der Trauergäste noch an dem offenen Grab.
    »Du kannst dir die Tränen sparen!«, raunte Lorenzo ihm zu, als er an seine Seite trat. »Ich komme gerade vom Papst. Urban hat mich zum Dombaumeister ernannt – auf Lebenszeit! Geld im Überfluss! Sogar den Weg zur Arbeit kann ich in Rechnung stellen.«
    »Kannst du damit nicht warten, bis das Grab zu ist?«, fragte Francesco, ohne sich umzudrehen.
    »Tu nicht so scheinheilig! Meine Ernennung wird dein Schaden nicht sein. Weißt du, was das heißt? Wir werden immer genug zu beißen haben, unser Leben lang.« Er deutete mit dem Kinn auf das Grab. »Woran ist der alte Scheißer

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