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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Kollegen für immer von Williams Krankenbett vertrieb.
    Und Clarissa? Arme Clarissa! Sie hatte auf ihren Verstand, nicht auf ihr Herz gehört und Francesco Castelli nicht wieder gesehen, den ganzen Winter über kein einziges Mal. Dreimal am Tag betete sie den Angelus, am Morgen, am Mittag und am Abend, und wann immer Castelli im Palazzo Pamphili erwartet wurde, wo seine Arbeiter das Mauerwerk vom Hausschwamm befreiten, verließ sie in Begleitung ihrer Cousine oder ihres Tutors das Haus. Sie besichtigte die Sixtinische Kapelle mit Michelangelos »Jüngstem Gericht«, die Laterankirche, die noch heiliger war als der Petersdom, die Antikensammlung im Vatikan, den Circus Maximus und das Colosseum. Sie stand im Forum Romanum vor der Statue, zu deren Füßen Brutus einst Julius Caesar erstach, sie überquerte die Brücke, wo ein römischer Soldat vor vielenhundert Jahren allein eine ganze feindliche Armee aufgehalten hatte, sie erklomm auf den Knien die Heilige Treppe, die Jesus vor seiner Verurteilung zum Palast von Pontius Pilatus in Jerusalem hinaufgestiegen war. Und sie fuhr mit der Kutsche auf alle sieben Hügel Roms, von denen man den herrlichsten Blick über die Stadt hatte, sodass sie bald jedes größere Bauwerk aus der Ferne erkannte und beim Namen nennen konnte.
    Doch bereiteten diese Ausflüge ihr Vergnügen? Ach nein! Die großartigsten Orte und Ansichten berührten sie so wenig wie die säuerliche Miene, mit der Principe Pamphili ihr im Palazzo begegnete. Vor jeder Kirche, vor jedem Palast kam ihr Castelli in den Sinn. Was hätte sie darum gegeben, an seiner Seite die Stadt zu erkunden! Seinen Erklärungen zu lauschen, mit seiner Hilfe die verborgene Ordnung in dem Wirrwarr der Gassen, Straßen und Plätze zu entdecken. Wie sehr vermisste sie seine Gegenwart! Den warmen Klang seiner Stimme. Das begeisterte Leuchten in seinen Augen. Seine Andacht, seinen Ernst, seinen Stolz. Und vor allem sein Lächeln …
    Clarissa kehrte an solchen Tagen erst wieder heim, wenn sie ganz sicher war, Castelli nicht mehr zu begegnen, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte als dies. Er war ihr so nah und doch so fern – würde sie je wieder glücklich sein? Da Olimpia inzwischen so gut lesen und schreiben konnte wie sie und keinen Unterricht mehr benötigte, verbrachte Clarissa die langen, dunklen Abende damit, Williams Reiseberichte ins Reine zu übertragen, um sich von den schmerzlichen Gedanken und Fragen abzulenken, bei denen ihr oft die Tränen kamen, sodass sie am Ende eines Winters, in dem sie, wie ihr schien, für alle Zeit das Lachen verlernt hatte, erleichtert war, Rom, die Stadt, die sie einst mit solcher Neugier und so großen Hoffnungen betreten hatte, wieder verlassen zu können.
    An einem Montag sollte die Abreise sein. Doch zuvor hatte Clarissa noch eine Aufgabe zu erfüllen. Auf Betreiben ihrer Cousine sollte sie zusammen mit dem britischen Gesandten im Namen des englischen Königspaars einen Künstler ehren. Sie hatte vondiesem Mann, der angeblich die Römer schon als Kind zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte, mehr gehört als ihr lieb war, auch waren ihr viele seiner Werke vertraut, doch drängte es sie keineswegs, ihn kennen zu lernen. Denn dieser Mann genoss in der Stadt einen solchen Ruhm, als gebe es keinen anderen Künstler außer ihm, was, das wusste niemand besser als Clarissa, ein himmelschreiendes Unrecht war.
    »Da sagen die Leute, Kunst geht nach Brot«, seufzte Lord Henry Wotton, als er sie im Palast der Könige von England empfing, »doch wenn Sie mich fragen, verhält es sich umgekehrt. Sechstausend Scudi! Ein solches Prachtjuwel für einen Bildhauer!« Dabei händigte er ihr eine geöffnete Schatulle aus, auf deren schwarzem Samtbett ein Ring mit einem walnussgroßen Smaragd funkelte. »Aber da kommt der Cavaliere ja schon!«
    Alle Köpfe flogen herum. Durch die Flügeltür, die zwei livrierte Diener offen hielten, betrat ein junger Mann den Saal, den Kopf im Nacken, mit gezogenem Hut und wehendem Haar. Hinter sich ein Gefolge wie ein regierender Fürst, kam er direkt auf sie zu. Die Gespräche verstummten, vereinzelte Ahs und Ohs wurden laut, selbst die Marmorfiguren, die zu diesem Anlass in der Gesandtschaft aufgestellt waren, schienen dem Besucher ihre Referenz zu erweisen. Genau so hatte Clarissa sich diesen Bernini vorgestellt.
    »Ich verneige mich vor der englischen Nation. Vor ihrer Macht und vor ihrer Schönheit.«
    Er grüßte erst in Lord Wottons, dann in Clarissas Richtung,

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