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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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vielleicht sogar die Sonne, die den Tag bescheint – aber wir Menschen?«
    »Sie wollten mir erzählen, was Jesus zu Theresa sagte.«
    »Richtig! Der Erlöser wusste, wenn es auf Erden Vollkommenheit gibt, dann nur in Gestalt einer Frau.« Bernini blickte von seinem Zeichenbrett auf und schaute Clarissa an, als würden die Worte, die er nun sagte, ihr und nicht der Heiligen gelten: »›Hätte ich den Himmel nicht bereits erschaffen, für dich allein würde ich ihn bauen.‹«
    Clarissa fröstelte. Was waren das für Worte! Noch nie hatte jemand so mit ihr gesprochen. Auch wenn Bernini nur fremde Sätze wiedergab – durfte sie ihm erlauben, so mit ihr zu reden? Immer noch schaute er sie an, mit Augen wie ein Zigeuner, und ein zweiter Schauer rieselte ihr den Rücken hinab. Warum hatte sie sich nur von ihm überreden lassen, Modell zu sitzen? Und warum hatte sie ihn an diesem Tag eingeladen? Obwohl sie doch wusste, dass ihre Cousine nicht da sein würde?
    »Bitte«, sagte sie leise, »hören Sie auf, so zu reden!«
    »Wie können Sie das verlangen?«, fragte er. »Wollen Sie der Nachtigall verbieten zu singen? Dem Gläubigen zu beten?«
    »Was hat das mit Glauben zu tun?«
    »Das fragen Sie? Eine Göttin?«
    »Sie sollen nicht so mit mir sprechen! Ich bin nur eine Frau.«
    »Ja, eine Frau! Was kann es Größeres, was kann es Kostbareres geben?«
    Er ließ sein Zeichenbrett sinken und blickte sie so eindringlich an, so offen und unverwandt, dass sie plötzlich das Gefühl hatte,sie sei nackt. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihr Mund wurde trocken. Obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, raffte sie den Stoff um ihre Schultern, als könne sie sich so vor seinen Blicken schützen. Doch vor diesen Blicken schützte kein noch so dichtes Tuch, sie drangen durch das Gewebe, als wäre es nur ein feiner, durchscheinender Schleier.
    »Es gibt zwei Arten von Frauen, Principessa«, sagte Bernini so ernst, als wären sie in der Kirche. »Die einen sind wie antike Vasen, wunderschön, aber wenn man sie berührt, zerfallen sie zu Staub. Die anderen sind wie Grappa, sie brennen scharf in der Kehle, doch dann, in der Brust, breiten sie wie Schmetterlinge ihre Flügel aus.« Er machte einen Schritt auf sie zu, den Blick fest auf sie gerichtet. »Was für eine Frau, Principessa, sind Sie?«

20
    Bester Dinge verließ Lorenzo den Palazzo Pamphili. Was war das Leben doch für eine wunderbare Sache! Eine Canzone pfeifend, überquerte er die Piazza Navona und machte sich auf den Weg zum Palazzo Barberini – zu Fuß, warum sollte er sich beeilen, wenn Urban ihm Wegegeld zahlte? Er wollte auf der Baustelle des päpstlichen Familienpalastes nach dem Rechten schauen, bevor er in der Peterskirche die Bekrönung der Altarsäulen mit einem Baldachinmodell aus Holz und Pappmaschee überwachte. Maderno, der alte Scheißer, hatte vor seinem Tod noch Scharen von Handwerkern aus der Lombardei unter Vertrag genommen, um seinen Landsleuten eine langfristige Anstellung zu sichern, und das Mailänder Pack stritt nun ständig mit Lorenzos toskanischen Arbeitern herum, sodass es immer wieder zu Schlägereien kam. Da musste man aufpassen.
    Francesco erwartete ihn im Hoftor des Palazzo Barberini.
    »Ich arbeite nicht mehr für dich!«, erklärte er.
    »Bist du verrückt geworden? Hast du ein Gelübde abgelegt oder was ist in dich gefahren?«
    Francesco schüttelte stumm den Kopf. Er setzte sein störrischstes Mauleselgesicht auf.
    »Oder ist heute ein Feiertag, den ich vielleicht vergessen habe?«
    »Ich verlasse die Baustelle. Meine Leute wissen Bescheid. Sie sammeln schon die Werkzeuge ein.«
    »Du meinst, du willst mir heute Nachmittag im Dom helfen?«
    »Du hast gehört, was ich gesagt habe – ich arbeite nicht mehr für dich!
Basta!
«
    Lorenzo fiel aus allen Wolken. Wie war das? Sein
assistente,
sein wichtigster Gehilfe warf ihm die Arbeit vor die Füße? Ohne Vorankündigung, aus heiterem Himmel? Beim Gedanken an die Folgen, die für ihn daraus erwachsen konnten, wurde Lorenzo schwindlig.
    »Kannst du mir einen Grund für diesen Irrsinn sagen?«, fragte er.
    »Ich schulde dir keine Rechenschaft.«
    »So einfach geht das nicht. Wir haben Verträge.«
    »Verträge sind Papier.«
    »Von wegen! Ich mache dich für den Schaden haftbar. Du wirst alles verlieren, was du hast.«
    Francesco hob die Schultern, als gehe ihn das nichts an. Dieses verbiesterte Gesicht! Lorenzo musste sich beherrschen, um ihm nicht an die Gurgel zu springen.
    »Was

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