Die Principessa
ganze Glück sprach, das nur die Gunstbezeigung einer schönen Frau in einem Mann auszulösen vermag, wandte er sich ab. Lorenzo brachte vor lauter Staunen kaum ein Wort heraus.
»Francesco Castelli ist … Ihr
Architekt?«,
fragte er ungläubig, als sein
assistente
fort war.
»Ja«, antwortete sie, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt. »Ich halte ihn für einen begnadeten Künstler. Genauso wie Sie.«
Genauso wie er? Lorenzo wunderte sich ein zweites Mal. Was wollte sie damit sagen? Dass sie seine Einschätzung der Fähigkeiten Francescos teilte? Oder dass sie ihn auf eine Stufe mit seinem Gehilfen stellte? Ersteres wäre eine Übertreibung, zweiteres eine Beleidigung. Dabei schaute sie ihn mit einem Lächeln an, als würde sie sich über ihn lustig machen. Ein solches Lächeln in einem so bezaubernden Gesicht … Plötzlich kam ihm eine Frage in den Sinn: War das vielleicht die Frau, wegen der Francesco … Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hatte er auch schon eine Idee.
»Ich bin entzückt über Ihr Urteil, Principessa«, sagte er miteinem Lächeln, das ihrem nicht nachstand. »Aber wenn Sie die Kunst so sehr lieben, wollen Sie sich dann nicht erbieten, ihr einen Dienst zu erweisen?«
18
Sie hatte ihn zu sich geladen! Sie wollte ihn sehen! Francesco konnte sein Glück kaum fassen. So viele Monate war die Principessa ihm aus dem Weg gegangen, wieder und wieder, hatte jede Begegnung mit ihm vermieden, wann immer er im Palazzo Pamphili zu tun hatte, und die Furcht, dass die Frau, die ihm vor Jahren in einer verschneiten Winternacht im Traum erschienen war und die doch in Fleisch und Blut existierte, die Furcht, dass diese Frau, auf die er sein Leben lang mit solcher Sehnsucht gewartet hatte, in Bissone, in Mailand, in Rom, ihn verachten könne, weil er kein Architekt, sondern nur ein Steinmetz war, hatte sich im Laufe der Zeit in ihm zu einer so schmerzhaft quälenden Gewissheit verfestigt, dass er an sie mit derselben Inbrunst glaubte wie an die Leidenspassion des Erlösers.
Doch jetzt, nach der zufälligen Wiederbegegnung – sie hatten im Capitolspalast so plötzlich voreinander gestanden, dass er ihr so wenig hatte ausweichen können wie sie ihm –, war alles anders geworden. Sein Leben in dem windschiefen Haus im Vicolo dell’ Agnello, dem Haus seines Onkels, das er seit Garovos Tod allein mit einer Magd bewohnte, hatte sich verändert wie eine Landschaft unter einem dunklen Regenhimmel, dessen Wolkendecke plötzlich aufreißt, um die Felder und Wege und Wälder, die eben noch im tiefen Schatten gelegen hatten, mit hellem Sonnenlicht zu überfluten. Hatte er sonst die wenigen Stunden, die ihm zwischen Arbeit und Schlaf zur Muße blieben, meist damit verbracht, beim Schein einer Kerze in der Bibel oder in den Schriften Senecas zu lesen, um die dunklen AnwandlungenSaturns aus seinem Gemüt zu vertreiben, war seine freie Zeit nun erfüllt mit Entwürfen und Plänen. War es ein Zufall, dass dank dieser Frau sein Lebenstraum in Erfüllung gehen sollte? Dass er dank ihr die demütigende Arbeit des Steinmetzen hinter sich ließ, um endlich ein Architekt zu werden? Nein, das war kein Zufall. Hier rief ihn das Schicksal beim Namen, und es rief ihn in Gestalt dieser Frau.
Immer sah er ihr Bild vor Augen, bei Tag und bei Nacht. Ihr Gesicht war so anmutig und strahlend wie das der schönen Helena, so klar und rein wie das der Jungfrau Maria, so klug und aufmerksam wie das der Pallas Athene. Er dachte an sie, wenn er arbeitete, wenn er aß und wenn er trank, wenn er aufwachte und wenn er einschlief. Er sprach in Gedanken mit ihr, fragte sie um ihren Rat, tröstete sie, wenn sie traurig war, und lachte mit ihr, wenn sie sie sich freute. Und wann immer die Arbeit es ihm erlaubte, zeichnete er mit Graphit auf feines Schreibpapier die Skizzen und Pläne für ihr
appartamento
, denn nicht eher wollte er sie aufsuchen, als bis sein Entwurf vollkommen war. Er wollte zaubern für sie, wie er noch nie zuvor gezaubert hatte, durch Anwendung perspektivischer Gesetze befreiende Weite schaffen, wo jetzt noch erdrückende Enge herrschte. Da die Räume, die ihm im Palazzo Pamphili zur Verfügung standen, nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten boten, erfand er eigens für sie ein ganzes illusionistisches System der Raumerweiterung mit einer toskanischen Säulenordnung im Zentrum, ein phantastisches Gaukelwerk, das die Grenzen zwischen Schein und Sein in verwirrenden Augenspielereien
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