Die Principessa
ich das tun?«
Lorenzo atmete durch, als hätte er einen schweren Stein gestemmt. Ein solches Angebot konnte niemand abschlagen. Aber Francesco schüttelte den Kopf.
»Ich will deine Hilfe nicht«, sagte er, schon wieder mit diesem Mauleselgesicht. »Ich will sie nicht, und ich brauche sie nicht.«
»Heilige Jungfrau Maria!«, rief Lorenzo. »Wie kann ein Mensch so starrsinnig sein? Ich biete dir eine Stellung, für die jeder andere Architekt seine Mutter ermorden würde, und du tust, als hätte ich dich beleidigt! Was verlangst du noch von mir, damit du mir verzeihst? Dass ich dir die Füße küsse?«
»Ich verlange überhaupt nichts von dir«, sagte Francesco und begann seine Sachen zusammenzusuchen. »Maderno hatte Recht – kein Ort der Welt ist groß genug für dich und einen andern.«
Lorenzo hielt es nicht länger aus. Während Francesco seine Werkzeuge reinigte und in sein Bündel packte, mit ruhigen, konzentrierten Bewegungen, marschierte er, um irgendwas zu tun, zwischen den Haufen aus Sand und Stein im Hof des Palazzos auf und ab. Er war verloren, verraten und verkauft. Die Renovierung der Fassade, die Anbindung des Zentralbaus an die Nebengebäude – wie sollte er das ohne Hilfe schaffen? Zumal er doch den Hochaltar am Hals hatte und Urban ihn täglich fragte, wann er das verdammte Ding endlich einweihen könne? Vor allem aber wusste Lorenzo ganz tief in seinem Innern, dass er selbst kein Architekt war, sondern ein Künstler, und darum auf Francesco so wenig verzichten konnte wie der Herrgott auf den Papst. Oder wie ein Mann auf eine Frau.
Plötzlich kam es über ihn wie eine Erleuchtung. Wie ein Mann auf eine Frau … Ja, das war die Lösung! Wenn er Francesco einen Beweis seiner Freundschaft geben konnte, dann diesen,das größte Opfer, das ein Mann einem anderen bringen kann. Er kehrte zu seinem
assistente
zurück und zwang sich zu einem Lächeln.
»Du kennst doch Costanza, Matteos Frau …«
Francesco schaute ihn verständnislos an. »Ja, und?«
»Wie gefällt sie dir? Ist sie nicht ein herrliches Weib?«
»Was hat Costanza mit dir und mir zu tun?«
Das Angebot fiel Lorenzo noch saurer, als er gedacht hatte. Doch er hatte keine Wahl. »Wenn du willst«, sagte er, »kannst du sie heute Nacht haben. Ich … ich schenke sie dir.«
Francesco verschlug es die Sprache. Mit offenem Mund schaute er Lorenzo an, Unglaube in den Augen – Unglaube und Widerwillen und Abscheu und Entsetzen, als sähe er den Leibhaftigen vor sich. Angewidert spuckte er vor Lorenzo aus.
»Du bist das größte Schwein, das ich kenne!«
Er warf sein Bündel über die Schulter und machte auf dem Absatz kehrt. Ohnmächtig blickte Lorenzo ihm nach, wie er durch das Tor den Hof verließ. Das hatte man davon, wenn man die Menschen liebte!
»Dann leck mich im Arsch!«, schrie er, plötzlich außer sich vor Wut. »Hau ab, du Idiot! Scher dich zum Teufel!« Er hob einen Stein vom Boden und warf ihn Francesco hinterher. »Ja, fahr zur Hölle! Und lass dich hier nie wieder blicken! Hörst du? Nie, nie, nie wieder!«
21
Clarissa zögerte, während sie die tadelnden Blicke Williams, der auf ihren Wunsch und gegen seinen Willen in der Kutsche geblieben war, so deutlich auf ihrem Rücken spürte wie die stechenden Strahlen der Mittagssonne. Dann gab sie sich einen Ruck und klopfte an.
Ein Ruf wie ein Rauswurf antwortete ihr: »Wer stört?«
Sie ließ sich nicht beirren. Er konnte ja nicht wissen, dass sie es war. Also raffte sie ihre Röcke und bückte sich, um durch die niedrige Haustür einzutreten.
Drinnen empfing sie der Geruch von kaltem Feuer.
»Principessa – Sie?«
Er blickte sie an wie eine Erscheinung. Castelli saß an einem Holztisch, vor sich ein Buch, um sich herum nur weiß getünchte Wände: ein Mönch in seiner Zelle.
»Ich habe Sie im Dom gesucht. Ein Maurer sagte mir, Sie hätten die Arbeit niedergelegt. Was ist passiert?«
»Das geht niemanden etwas an«, erwiderte er schroff und stand auf.
»Ich habe mir aber Sorgen gemacht. Störe ich?«
Clarissa schaute sich um. Kein Teppich auf dem Boden, kein Bild an den Wänden, nur der Tisch und zwei Stühle, ein Herd und ein paar Regale mit eingerollten Zeichenblättern und Büchern. Wie konnte ein Mann, der Kirchen und Paläste bauen wollte, in einer solchen Wohnung hausen?
»Was wünschen Sie?«, fragte er, ohne ihr einen Platz anzubieten.
»Sie hatten mir Pläne versprochen.«
»Pläne?«
»Ja, für mein
appartamento
. Sagen Sie nicht, Sie hätten sie
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