Die Principessa
verwischte.
Francesco überarbeitete den Entwurf viele dutzend Male, und es dauerte eine Woche, bis er endlich zufrieden war. Dann, an einem Dienstagnachmittag, machte er sich auf den Weg. Als er mit dem bronzenen Löwenkopf an das Tor des Palazzo Pamphili klopfte, war er zu seiner eigenen Überraschung völlig ruhig und gelassen. Er hatte befürchtet, vor Aufregung kaum sprechen zu können, doch jetzt verspürte er nichts als Vorfreude,ihr strahlendes Gesicht zu sehen, wenn er ihr die Pläne erläuterte.
»Sie haben sich vergebens bemüht«, sagte der Diener, der ihm die Tür öffnete. »Donna Olimpia ist außer Haus, und sie wird nicht vor Mitternacht heimkehren.«
»Mein Besuch gilt nicht Donna Olimpia«, erwiderte Francesco.
»Bitte melden Sie mich der englischen Principessa!«
Der Diener musterte ihn mit gerunzelter Stirn, dann ließ er ihn eintreten und führte ihn die Treppe hinauf in den ersten Stock. Am Ende des Ganges forderte er Francesco auf zu warten und verschwand durch eine Tür.
Minuten vergingen. Konnte der Diener die Principessa nicht finden? Plötzlich hörte Francesco eine helle weibliche Stimme, die gerade laut auflachte. Das war ihre Stimme, kein Zweifel! Sie kam aus einem Raum, der nur wenige Schritte weiter lag und dessen Tür einen Spalt weit offen stand. Wahrscheinlich suchte der Diener sie an einem falschen Ort. Francesco beschloss, nicht länger zu warten und einfach anzuklopfen.
Als er durch den Türspalt blickte, bereute er seinen Entschluss, wie er nur selten zuvor in seinem Leben etwas bereut hatte. Ihm war, als würde sich eine Faust um sein Herz schließen und ihm das Blut abschnüren.
19
»Verzeihen Sie«, sagte Bernini, »aber ich muss Sie nun leider berauben.«
Mit zusammengekniffenen Augen, wie ein Jäger, der seine Beute anvisiert, blickte er über den Rand seines Zeichenbretts, während er mit sicherem Strich ihr Bild auf das Papier übertrug.
»Sie meinen mein Äußeres?«, fragte Clarissa lachend zurück.
»Doch wohl nur, um es mir wieder zurückzugeben.«
»Dies ist mein Bemühen, Principessa, allein ich fürchte, was ich Ihnen wiedergebe, wird weit weniger sein, als was ich Ihnen stehle. – Bitte nicht bewegen!«
Sie hatte sich umgedreht, sodass ihr der Schleier vom Kopf rutschte. Ihr war, als habe sie in der Tür, die sie einen Spalt weit offen gelassen hatte, um mit Bernini nicht allein in einem geschlossenen Raum zu sein, für einen Moment eine Gestalt gesehen. Wer konnte das gewesen sein? Donna Olimpia war nicht im Haus, und William war auf sein Zimmer gegangen, um ein Kapitel seines Reisetagebuchs zu redigieren.
»Mit Ihrer Erlaubnis?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, drapierte Bernini den Stoff erneut um sie. »Wir wollen die Worte der Heiligen so getreu wie wir nur können in Marmor übersetzen. Darf ich Sie bitten, den Kopf ein wenig mehr in den Nacken zu legen?«, fragte er und stützte behutsam ihre Schulter, um sie in die richtige Position zu bringen. »Versetzen Sie sich an Theresas Stelle! Sie sah in ihrer Vision einen Engel über sich, der sie mit seiner Lanze durchbohrte – sie hat es selbst beschrieben. ›Ein Pfeil drang hin und wider in mein Herz, unendlich war die Süße dieses Schmerzes, und die Liebe erfüllte mich ganz und gar …‹ Ja, so ist es perfekt, wunderbar, bitte bleiben Sie so!«
»Was für eine seltsame Art zu sprechen«, sagte Clarissa irritiert, während Bernini wieder sein Zeichenbrett nahm. »Von welchem Pfeil ist die Rede?«
»Vom Pfeil der Liebe. Ich hoffe, die heilige Theresa schaut uns gerade zu. Sie wird entzückt über ihre Stellvertreterin sein. Wissen Sie, was Jesus in der Vision zu ihr sagte?«
»Ich habe ihre Schriften nie gelesen. Sie sind in England nicht sehr bekannt.«
»Wie?«, fragte er, während er mit dem Daumen die Kreide auf dem Papier verwischte. »Sie haben den ›Weg zur Vollkommenheit‹ nicht gelesen? Und gleichen der Verfasserin doch aufs Haar?«
»Woher wollen Sie wissen, wie die heilige Theresa aussah?«
»Wüsste ich es nicht, hätte ich Sie dann gebeten, ihre Stelle einzunehmen?«
Clarissa wusste nicht, ob sie über sein Kompliment lachen oder sich ärgern sollte. »›Weg zur Vollkommenheit‹?«, fragte sie schließlich, um etwas zu sagen. »Heißt so ihr Buch?«
»Ja – ein herrlicher Titel, nicht wahr?«, rief Bernini begeistert. »Als wären wir Menschen auf der Welt, um vollkommen zu sein. Was für ein reizender Wahn! Die Sterne sind vollkommen, der Mond ist vollkommen,
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