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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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rief sie, vor Begeisterung kaum Worte findend. »Danke, Cavaliere! Sie … Sie sind ein Engel!« Und bevor sie überlegte, was sie tat, küsste sie ihn auf die Wange.
    »Principessa …«
    Als sie in sein erstauntes Gesicht sah, begriff sie, was sie getan hatte. Wie hatte das passieren können? Hatte sie den Verstand verloren? Wenn Olimpia sie gesehen hätte! Sie schämte sich wie ein kleines Kind. Was nützte das dunkle Kleid, der strenge Knoten in ihrem Haar, wenn sie sich so vergaß?
    »Ich … ich bitte Sie um Verzeihung«, stammelte sie, während ihr die Röte ins Gesicht schoss.
    Seine dunklen Augen ruhten auf ihr, und um seinen Mund spielte ein Lächeln. »Wie überaus reizend ist Ihre Art zu beten. Doch um wie viel reizender noch ist Ihre Art zu danken.«
    Bevor sie etwas denken oder sagen konnte, presste er sie an sich und küsste sie.
    Clarissa war, als falle sie in einen Strudel, der sich schneller und schneller drehte. Sie spürte Lorenzos Lippen, seinen Atem auf ihrer Haut, seine Arme, seine Schenkel an ihrem Leib. Ein Gefühl erfasste sie, wie sie es noch nie zuvor empfunden hatte, ein Gefühl voller Kraft und Zärtlichkeit, ein Jubeln in ihrer Brust, als wolle sie gen Himmel fahren, und zugleich eine so selige Hingabe, dass sie bereit war zu sterben.
    »Auch wenn morgen die Welt untergeht«, flüsterte Bernini,
    »weiß ich jetzt doch, was Gott gemeint hat.«
    Wie viel Zeit war vergangen, bis ihre Lippen sich trennten? Eine Sekunde? Eine Ewigkeit?
    Als Clarissa die Augen aufschlug, sah sie in sein Gesicht. Es war ein einziger strahlender Triumph.
    »Jetzt weiß ich, wer du bist«, sagte er. »Du bist Eva, die Frau, die Gott selbst erschaffen hat. Beim Himmel und bei allen Heiligen – Castelli soll die Sapienza haben, ich schenke sie ihm! Jeden Palast, jede Kirche will ich opfern, um dich im Arm zu halten.«
    Draußen auf dem Gang ertönten Schritte. Clarissa erwachte aus ihrem Traum.
    »Heilige Muttergottes!«, stieß sie hervor und floh aus seinem Arm. »Gehen Sie, bitte!«
    Mit einem Augenzwinkern hob er ihren Schleier vom Boden auf und huschte hinaus. Eilig ordnete sie ihre Kleider und kehrte in ihre Bank zurück. Als sie auf die Knie sank, ging ihr Atem so schwer, dass sie meinte, ihr Mieder müsse platzen. Sie schlug wieder das Kreuz und blickte zum Altar.
    Unzählige Male schon hatte sie das Relief über dem Tabernakel gesehen, wie man Dinge sieht und doch nicht sieht, die man täglich vor Augen hat, doch erst jetzt erkannte sie darauf das Mirakel der heiligen Agnes. Römische Soldaten zerrten die Verzweifelte in den Staub, um sie zu schänden, doch da, allein aus der Kraft und Inbrunst ihres Glaubens, geschah das Wunder: Ein Panzer aus Haaren überwucherte ihren Leib und rettete sie aus ihrer Not.
    Auf dem Gang hörte Clarissa Berninis Stimme, vermischt mit Donna Olimpias Lachen. Mit einem Seufzer schloss sie die Augen.
    Wo war
ihr
Glaube gewesen?

24
    Sie hatte ihn geküsst! In seligem Taumel, als hätte er eine Flasche Secco getrunken, verließ Lorenzo den Palazzo Pamphili, am ganzen Körper vibrierend vom Nachhall dieses Augenblicks.
    War es möglich, was sich zwischen ihnen ereignet hatte? Liebte er sie gar? Was für eine Frage – er hatte sie erobert!
    Auf der Piazza Navona wimmelte es von Leben. Im Schein zahlloser Fackeln promenierten Kavaliere mit ihren Damen zwischen den Buden umher, die hier des Abends aufgeschlagen waren, ließen sich aus der Hand lesen oder nahmen Erfrischungen zu sich. Feuerschlucker spien Flammen in den Nachthimmel, Akrobaten balancierten über hoch gespannte Seile, während prächtig herausgeputzte Reiter auf sich bäumenden Pferden über die Piazza sprengten und mehrspännige Equipagen mit livrierten Dienern im Gefolge sich ihren Weg durch das Gewühl bahnten.
    Was für eine Nacht! Eigentlich war es Lorenzos Absicht gewesen, seine Mutter zu besuchen, die alt und einsam in der Pfarrei von Santa Maria Maggiore in dem großen Haus seiner Eltern lebte, um bei ihr zu Abend zu essen. Seit dem Tod seines Vaters kümmerte er sich einmal in der Woche um sie – sein Bruder Luigi tat es ja nicht, der hatte nur seine Weiber im Kopf. Doch war ein solcher Abend dazu angetan, bei seiner Mutter zu versauern?
    Plötzlich hatte Lorenzo eine Idee. Er spürte, wie ihm bei dem Gedanken das Blut in die Adern schoss. Ja, das war tausendmal besser, um diesen Tag zu beschließen! Er wollte noch etwas erleben. Und statt seine Schritte in Richtung von Santa Maria Maggiore zu lenken, bog

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