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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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verdunkelte sich, eine scharfe Falte trat auf seineStirn. »Ein Pfeil drang hin und wider in mein Herz«, sagte er leise, fast tonlos. »Unendlich war die Süße dieses Schmerzes …« Bei den Worten zuckte Clarissa zusammen. Unwillkürlich schlug sie die Augen nieder.
    »Dann … waren Sie das an der Tür?«
    »Ich kenne die Schriften der heiligen Theresa. Ich wollte Ihnen damals meinen Entwurf bringen.«
    Sie war unfähig zu sprechen. Plötzlich verstand sie alles: Warum er die vielen Wochen nicht zu ihr gekommen war, die schroffe Art, mit der er sie empfangen hatte, die Ablehnung ihrer Freundschaft – sein ganzes abweisendes Verhalten. Sie war so bestürzt, dass sie kein Wort hervorbrachte.
    »Natürlich«, sagte Castelli und gab ihr das Kreuz zurück, »er hat Sie geschickt. – Bitte gehen Sie, lassen Sie mich allein!«
    Clarissa nahm ihren ganzen Mut zusammen und blickte ihn an. Seine Miene war wie versteinert und aus seinen Augen sprach eine grenzenlose Trauer. Als sie dieses Gesicht sah, begriff sie, was für einen fürchterlichen Fehler sie an ihm begangen hatte. Wie konnte sie dies nur wieder gutmachen?

22
    Die Glocken der Peterskirche hatten bereits zum abendlichen Angelus geläutet, doch keiner der Arbeiter und Handwerker der Dombauhütte wagte es, sein Werkzeug aus der Hand zu legen. Wie eine Tarantella mit tausend Synkopen erklang das Hämmern der Bildhauer und Steinmetze, die sich ihre Hände an Urbans Aufträgen blutig schlugen, während die Zeichner sich mit krummem Rücken über ihre Tische beugten. Denn der Papst wurde nicht müde, immer wieder neue Aufgaben für seinen Lieblingskünstler zu ersinnen.
    Lorenzo fühlte sich furchtbar allein. Wenige Wochen, nachdemFrancesco ihm die Arbeit aufgekündigt hatte, war sein Vater gestorben. Erst jetzt, nach dessen Tod, wurde Lorenzo gewahr, was Pietro geleistet hatte: Trotz seines hohen Alters hatte er bis zuletzt die Zeichner beaufsichtigt, den Marmor beschafft, die Bildhauer und Steinmetze angeleitet, die nach Lorenzos Vorlagen den Skulpturenschmuck für den Palazzo Barberini und den Petersdom schufen, und auch oft noch selbst den Meißel zur Hand genommen, wenn die Zeit drängte. Vor allem aber hatte er ihm zur Seite gestanden, wenn er nicht mehr weiter wusste, und immer einen Rat für ihn gehabt.
    Es war wie ein Fluch. Seit Lorenzo den Katafalk für General Barberini errichtet hatte, schien der Tod ihm überall seine Fratze zu zeigen. Er lauerte hinter den Gesichtern der Menschen wie die Fäulnis hinter einer schlecht verputzten Wand und grinste ihm aus jedem Lächeln entgegen. Nicht einmal vor dem Heiligen Vater machte er Halt. Zwei Anschläge waren in kurzer Folge auf Urbans Leben verübt worden: Erst hatte ein Pater namens Tommaso Orsolini versucht, ihn mit einer Hostie zu vergiften, dann hatten Bettelmönche, die in Urbans Prachtentfaltung nicht den Lobpreis Gottes, sondern den Hochmut seines irdischen Stellvertreters sahen, ein Wachsbild von Seiner Heiligkeit angefertigt und unter Beschwörungen zum Schmelzen gebracht, um so das Leben des Dargestellten zum Schwinden zu bringen. Daran gestorben waren zwar nur die Verschwörer, die nach ihrer Entdeckung durch Monsignore Pamphili geköpft worden waren, doch hatte der Vorfall den Papst daran erinnert, dass auch er nicht ewig auf Erden weilen würde, weshalb er im Alter von nicht einmal sechzig Jahren sein eigenes Grabmal in Auftrag gegeben hatte.
    Obwohl der Hochaltar längst nicht vollendet war, wollte Urban noch in diesem Monat einen Entwurf von Lorenzo sehen. Zum Glück hatte Francesco die Grabnische neben dem Hochaltar, für die Urban sogar seinen Zeremonialthron als Bischof von Rom geopfert hatte, noch in den wichtigsten Teilen entworfen, samt Sockel und Sprenggiebel, sodass Lorenzo nur das Grabmalselbst hineinzeichnen musste. Ein wenig abseits von den übrigen Zeichnern skizzierte er an einem eigenen Tisch die Statue des Heiligen Vaters, den Segen erteilend und seitlich flankiert von zwei allegorischen Figuren, der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit, und darüber im Mittelpunkt der Komposition die Gestalt des Todes, zugleich schamhaft und stolz. Wenn Franceso nur noch hier wäre! Lorenzo vermisste ihn mit jedem Tag mehr: seine Genauigkeit, seinen Fleiß, seine Sturheit – sogar sein störrisches Mauleselgesicht. Denn Francesco war außer seinem Vater der einzige Mensch, dem er sich von Herzen verbunden fühlte, der einzige Freund, den er je gehabt hatte.
    Plötzlich verstummte das Hämmern

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