Die Principessa
Gotteshaus der Christenheit, ja übertraf als Sitz des Bischofs von Rom den Petersdom sogar im theologischen Rang.
»Es mangelt«, fuhr Innozenz fort, »in dieser Stadt nicht an Architekten, die der großen Aufgabe würdig gewesen wären, aber wir haben allein auf die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gesehen. Dir trauen wir mehr als jedem anderen zu, die Arbeiten bis zum Heiligen Jahr abzuschließen.«
»Bis zum Jubelfest sind es keine vier Jahre mehr, Heiliger Vater. Das ist nicht viel Zeit.«
»Wir sind uns dessen bewusst. Eben darum haben wir dich erwählt.«
Mit erhobenem Haupt nahm Francesco die Auszeichnung entgegen. Wie lange hatte er auf einen solchen Augenblick gewartet? Endlich fand er die Achtung, für die er so viele Jahre vergeblich gekämpft hatte, trat heraus aus dem Schatten seines verfluchten Rivalen.
»Dabei wollen wir nicht verschweigen«, fügte Innozenz hinzu, »dass die Beharrlichkeit, mit der du großen Schaden von Sankt Peter abgewendet hast, nicht ohne Eindruck auf uns geblieben ist.«
Francesco war am Ziel. Doch seltsam, jetzt, da er diesen Augenblick, dem sein ganzes Leben gegolten hatte, tatsächlich erlebte, empfand er kaum mehr als bei der Auszahlung eines vertraglich vereinbarten Lohns. Wo waren all die herrlichen Gefühle, die einen in solchen Augenblicken übermannten? Stolz, Jubel, Glück – Gefühle, um die er andere so oft beneidet hatte? Stattdessen spürte er nur Genugtuung, mehr nicht, und die schale Leere, die diese Erkenntnis in ihm hervorrief, füllte sich mit Groll. Warum, Herr im Himmel, war es ihm in der Stunde dieses Triumphes nicht vergönnt, reine,ungetrübte Freude zu empfinden? Wenigstens dieses eine Mal?
»Ich werde mich bemühen, Eure Erwartungen nicht zu enttäuschen.«
»Vor allem erwarten wir, dass du stets das rechte Maß wahrst.«
Während Innozenz ihn mahnte, niemals die Baukosten aus den Augen zu verlieren, fasste Francesco sich an die Brust, um nach dem Kuvert in seinem Rock zu tasten. Der Brief brannte auf seinem Herzen wie Salz in einer Wunde. Er hatte ihn am Morgen bekommen, als er sich für die Audienz beim Papst ankleidete. Das Schreiben stammte von der Principessa. In zwei Zeilen bat sie ihn um eine Unterredung und forderte ihn auf, sie im Palazzo Pamphili zu besuchen.
Sollte er der Einladung folgen? Francesco ahnte, weshalb sie ihn zu sich rief. Sie wollte ihn zur Rede stellen. Aber war es seine Schuld, dass der Glockenturm nun abgetragen wurde? Nein, er hatte getan, was er hatte tun müssen, seine gottverdammte Pflicht und Schuldigkeit, allein sachlichen Erwägungen folgend, wie sein Gewissen es von ihm verlangte. Kein Mensch der Welt, auch nicht die Principessa, durfte ihm deswegen Vorwürfe machen. Warum sah sie das nicht ein? Francescos Atem ging so schwer, dass es ihm nur mit Mühe gelang, einen Hustenanfall vor dem Papst zu unterdrücken.
»Wir hoffen«, sagte Innozenz, »du bist dir der Bedeutung deiner Aufgabe bewusst. Die Bischofskirche des Papstes ist Mutter und Haupt aller Kirchen
urbi et orbi
. Kein Ort auf der Welt ist heiliger als der Lateran, und du, mein Sohn, sollst diesen Ort erneuern.«
Die Worte erreichten zwar Francescos Ohr, nicht aber sein Herz. Für eine Sekunde zweifelte er sogar, ob er wirklich vor dem Papst stand. Und wenn das alles nur ein Traum war? Konnte es denn sein, dass ihm solche Ehre zuteil wurde und er in seiner Brust statt Jubel und Freude nur die quälende Atemnot empfand, die seine verhasste Staublunge ihm bereitete? Wieder fühlte er den Brief in seinem Rock. Warum wollte die Principessa ihm sein Glück verleiden? Er verfluchte seine Einbildungskraft,die ihm vor Jahrzehnten ihr Bild vorgegaukelt hatte. Was für ein Wahn zu glauben, das Schicksal habe diese Frau für ihn bestimmt!
Francesco presste die Lippen aufeinander und beschloss, ihr Bild für immer aus seinem Gedächtnis zu löschen. Er war nicht auf der Welt, um glücklich zu sein. Seine Bestimmung war es, Kirchen und Paläste zu bauen, nichts durfte ihn davon abhalten. Dafür hatte Gott der Herr ihm das Leben geschenkt, und daran erinnerte ihn jetzt, in diesem Augenblick, Sein Stellvertreter auf Erden.
»Damit du frei von Sorgen arbeiten kannst, belehnen wir dich mit einer Pfründe, aus der dir sechshundertfünfundachtzig Scudi im Jahr zufließen. Du darfst jetzt gehen.« Innozenz streckte ihm die Hand zum Abschied entgegen, und während Francesco zu Boden sank, um den Fischerring zu küssen, fügte der Papst hinzu: »Übrigens,
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