Die Principessa
Schauspiel zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht. Noch eine zweite Sorge bedrückte sie: Die Nachrichten, die sie Monat für Monat aus England erhalten hatte, waren den Winter über immer seltener geworden, und die wenigen Briefe, die sie erreichten, enthielten dunkle Andeutungen, wonach besondere Umstände, die McKinney nicht näher bezeichnete, es erforderlich machten, dass sie ihren Aufenthalt in Rom bis auf weiteres verlängerte.
Wie sollte sie sich dieses Verhalten ihres Mannes erklären? An seine Krankheit konnte sie kaum noch glauben. Doch was für einen Grund konnte es geben, dass er sie nicht wieder sehen wollte? Liebte er sie nicht mehr? Hatte er eine andere Frau gefunden, jünger als sie, die ihm Kinder gebären würde?
»Sie haben ja gar nicht geklatscht, Principessa. Hat Ihnen meine Komödie nicht gefallen?«
Clarissa schrak aus ihren Gedanken auf. Vor ihr stand Bernini, das Gesicht ein einziges Strahlen.
»Verzeihen Sie, was haben Sie gesagt?«
Donna Olimpia, die neben ihr in der ersten Reihe saß und sich nun erhob, kam ihr zu Hilfe.
»Ihre Komödie war wundervoll, Cavaliere«, sagte sie. »Ich wusste ja gar nicht, dass Sie auch Schauspiele schreiben.«
»Nur zu meiner Zerstreuung«, erwiderte Bernini. »Bislang hat außer meiner Frau niemand davon gewusst, und ich wäre damit nie an die Öffentlichkeit getreten, hätte die Principessa mir nicht von Ihrer Not berichtet.«
»Was für ein Glück, dass Sie nicht an Prinzipien hängen«, sagte Olimpia und hakte sich bei ihm ein. »Ich glaube, es ist angerichtet. Sind Sie so freundlich und führen Sie mich zu Tisch?«
In der Tat, es war angerichtet. Die lange Tafel im Speisesaal schien sich unter den silbernen Platten und Schüsseln, die mehrere dutzend Diener immer wieder mit neuen Speisen füllten, förmlich zu biegen. Es gab Frikassees vom Kalb und vom Huhn, gedünsteten Barsch und Lachs, gebratene Schnepfen und Wachteln, Krickente und Pfau, Wildpastete und Karbonade,Markkuchen und Rinderzunge und dazu Berge von Gemüse und Salat in jeder erdenklichen Zubereitung. Camillo Pamphili, vor wenigen Wochen erst von seinem Onkel zum jüngsten Kardinal des Kollegiums kreiert, mit der Begründung, dass er zeugungsunfähig und darum von Gott ausersehen sei, ein Leben im Dienste der Kirche zu führen, saß in seinem frisch erworbenen Purpur am Kopfende des Tisches, wo er, flankiert von seiner Mutter und Clarissa, Papst Innozenz als Haupt der Familie vertrat und mit einer Gier von allen Speisen aß, als hätte er den ganzen Winter über Hunger gelitten wie die Armen in seiner Diözese.
»Ich hatte zuerst gedacht, die Speisen seien bloß Attrappen«, sagte Bernini, der Donna Olimpia zur Seite saß, als sie endlich bei eingemachten Quitten und Marzipan angelangt waren.
»Eine solche Pracht und Fülle in diesen Zeiten!«
»Da ich mich im Gegensatz zu Ihnen«, erwiderte seine Gastgeberin mit einem charmanten Lächeln, »auf keinerlei illusionistische Künste verstehe, blieb mir nichts anderes übrig, als das wenige, was sich auf dem Markt auftreiben ließ, meinen Gästen auch wirklich vorzusetzen.«
»Das muss ein Vermögen gekostet haben.« Bernini prostete ihr mit seinem Likörwein zu. »Auf Ihr Wohl, Eccellenza!«
»Sprechen wir nicht davon, Cavaliere!« Donna Olimpia seufzte und ihre Miene verdüsterte sich. »Wenn Sie wüssten, was so ein Haushalt verschlingt! Mit den geringen Mitteln, die dem Heiligen Vater zufließen, ist der nötige Aufwand unmöglich zu bestreiten. Und dann die Renovierung des Palastes und der Piazza! Allein der Brunnen wird Unsummen kosten. Wie viele Stunden liege ich oft wach in der Nacht, ohne Schlaf zu finden. Nur der Gedanke, dass dies alles auf himmlischem Ratschluss beruht, vermag mich zu trösten.«
»Das soll auf himmlischem Ratschluss beruhen«, rief Bernini empört, »dass Sie des Nachts keinen Schlaf finden? Und wenn ich mich an der Vorsehung versündige, Donna Olimpia, da kann und will ich nicht tatenlos zusehen.«
»Aber Cavaliere, wie soll ich das verstehen?«, fragte sie und blickte ihm tief in die Augen. »Was gedenken Sie denn für meinen Schlaf zu tun?«
Mit einem Lächeln hielt er ihrem Blick stand. »Weniger, als zu tun ich mich sehne«, sagte er, »doch immerhin mehr, als Sie vermutlich erhoffen.«
»Sie machen mich neugierig. Ihre Worte sind so rätselhaft wie Ihre Bühneneffekte.«
»Dann will ich mich erklären«, sagte Bernini und stellte sein Glas ab. »Wenn der Heilige Vater mir erlauben
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