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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sie kein einziges Wort verstand – und dochverstand sie jede Nuance seiner Rede, mit der er sich ihr offenbarte. Er redete lange, ohne sie zu bedrängen, voll Wärme und Zärtlichkeit und Leidenschaft, in die sich zugleich Trauer und Resignation mischten, und sie überließ ihm ihre Hände, die er mit den seinen umfing. Ohne dass sie es bemerkte, fiel er vor ihr auf die Knie.
    »Ja, Principessa, ich liebe Sie, liebe Sie mit all meinen Sinnen. Und wenn Sie mich dafür hassen, selbst wenn Sie mich töten, werde ich nicht aufhören, es zu tun.«
    Er zog sie zu sich, umarmte sie, küsste sie auf ihren Mund. Sie wollte schreien, sich wehren, ihn wegstoßen, doch da sah sie Tränen in seinen Augen. Plötzlich verspürte sie nur noch jenes Verlangen, das sie vor Jahren hinaus auf die Straßen Roms getrieben hatte, jenes unbestimmte, unabweisbare Sehnen, das sich auf nichts und gleichzeitig alles zu richten schien, ein Gefühl ahnungsvoller Unruhe und erregender Ungewissheit, und sie wusste, hier, in diesem Raum, in diesem Augenblick, würde sie endlich Antwort finden auf das seit jeher in ihr schlummernde Begehren, das jedes Sträuben und Widerstreben sinnlos machte. Und während sie mit letzter Kraft »Nein! Nein!« hervorstieß, öffneten sich ihre Arme, sie drückte sich an ihn und ihre Lippen verschmolzen mit den seinen, um von der Fülle zu trinken.
    »Wo bist du?«, flüsterte er.
    »Hier bin ich, hier, hier, hier …«
    Als sie aus ihrem Kuss erwachten, hing der Nachhall ihrer Lust im Raum wie das Echo von Gottes Stimme, mit der er nach seinen Kindern im Garten Eden gerufen hatte. Und wie die ersten Menschen blickten sie an sich hinab und sahen, dass sie nackt waren.

21
    Die Straßen waren leer, noch schlief die große Stadt. Nur ein erster frischer Windhauch, ein Atemholen vor der neuen Anstrengung des Lebens, strich durch den
borgo
, der bald vom Lärm der Menschen erfüllt sein würde.
    »Fahr, wohin du willst!«
    Der Kutscher drehte sich auf seinem Bock verwundert zu Clarissa um, als sie am frühen Morgen die Equipage vor Berninis Palazzo bestieg. Doch als sie die Aufforderung wiederholte, hob er schulterzuckend die Peitsche, und die beiden Rappen zogen an.
    Clarissa schloss den Wagenschlag, dann sank sie auf den Sitz und barg das Gesicht in den Händen. Allein sein – das war ihr einziger Wunsch. Sie wollte sich sammeln, nachdenken, ordnen, was mit ihr geschehen war, die Ereignisse und die Empfindungen. Im zügigen Trab rollte die Kutsche durch die Gassen und Straßen, die im kühlen Dunst des Sommermorgens auf die Hitze des Tages warteten, von der Via della Mercede vorbei an Sant’ Andrea delle Fratte und dann weiter in Richtung Quirinal – doch von alledem nahm Clarissa nichts wahr. Sie hörte weder das Rasseln der eisenbeschlagenen Räder auf dem Pflaster noch spürte sie das Rütteln und Stoßen der Federn, während vor ihrem leeren Blick die Baumreihen und Häuserfronten vorüberzogen. Regungslos, wie betäubt, verharrte sie in der Gewissheit, dass sie das Geschehene nicht rückgängig machen konnte, verstört und unbeweglich. Obwohl sie denken wollte, tat sie es nicht; stattdessen beschwor sie die Frage, die ohne ihr Zutun in ihrem Gehirn immer bedrohlichere Gestalt annahm, noch zu warten, ihr eine letzte Schonfrist zu gewähren, als fürchte sie, dass durch ihre Gedanken erst ihr Erlebnis wahr und wirklich werden würde.
    »Was habe ich getan?«
    Plötzlich war Clarissa aufgewühlt wie nie zuvor in ihrem Leben.Alles, was gestern noch selbstverständlich schien, war aus den Fugen geraten. Warum war sie nicht tot? Welches Recht hatte sie noch zu leben, nach allem, was geschehen war? Sie hatte gesündigt, die schwerste Schuld auf sich geladen, die eine Frau auf sich laden konnte. Während die Kutsche die Piazza vor dem päpstlichen Palast überquerte, nahm die äußere Welt vor ihren Augen nach und nach Konturen an. Doch je deutlicher sie die Straßen und Plätze wieder erkannte, die Menschen sah, wie sie mit eiligen Schritten zur Frühmesse oder zur Arbeit gingen, umso verwirrender und befremdlicher mutete diese scheinbar vertraute Wirklichkeit sie an. Wie konnte es sein, dass draußen wie jeden Morgen ein neuer Tag anbrach, da doch in ihrem Innern nichts mehr so war wie früher?
    »Was habe ich getan!«
    Die Kutsche hatte den Quirinalhügel hinter sich gelassen und rollte nun im weiten Bogen auf den Tiber zu, vorbei an der Cancelleria, und als sie den Palazzo dei Filippini mit der Chiesa Nuova

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