Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
mich?«
»Wo bist du?« fragte er.
»In den Bergen«, entgegnete ich. »Diese Schlacht haben wir gerade gewonnen, und ich schicke Benedict die Hilfe, die er braucht, um im Tal aufzuräumen. Doch zunächst brauche ich deine Hilfe. Hol mich zu dir!«
»Ich weiß nicht recht, Corwin. Eric ...«
»Eric ist tot.«
»Wer führt dann das Kommando?«
»Na, was glaubst du wohl? Hol mich zu dir!«
Er nickte hastig und streckte die Hand aus. Ich hob den Arm, ergriff sie und tat einen Schritt. Im nächsten Augenblick stand ich neben ihm auf einem Balkon, der auf einen der Innenhöfe hinabblickte. Die Balustrade bestand aus weißem Marmor, und der Hof unten war ziemlich kahl. Wir befanden uns im zweiten Stockwerk.
Ich schwankte, und er ergriff meinen Arm.
»Du bist ja verletzt!« sagte er.
Ich schüttelte den Kopf und bemerkte, wie müde ich war. In den letzten Nächten hatte ich nicht besonders gut geschlafen. Das und noch viel mehr ...
»Nein«, sagte ich und starrte auf die blutige Hemdbrust. »Ich bin nur müde. Das Blut stammt von Eric.«
Er fuhr sich mit der Hand durch das strohfarbene Haar und schürzte die Lippen.
»Du hast ihn also doch erledigt ...«, sagte er leise.
Wieder schüttelte ich den Kopf.
»Nein – als ich ihn erreichte, lag er bereits im Sterben. Komm mit! Beeil dich! Es ist wichtig!«
»Wohin? Was ist denn los?«
»Zum Muster«, sagte ich. »Warum? Den Grund kenne ich nicht genau. Ich weiß nur, daß es wichtig ist. Komm schon!«
Wir betraten den Palast und näherten uns der Treppe. Zwei Wächter standen an der obersten Stufe, doch sie salutierten bei unserer Annäherung und versuchten uns nicht aufzuhalten.
»Ich bin froh, daß die Gerüchte über deine Augen stimmen«, sagte Random unterwegs. »Kannst du wirklich wieder gut sehen?«
»Ja. Wie ich gehört habe, bist du noch immer verheiratet.«
»Ja.«
Als wir das Erdgeschoß erreichten, hasteten wir nach rechts. Unten an der Treppe warteten zwei weitere Wächter, doch sie kümmerten sich nicht um uns.
»Ja«, wiederholte er, während wir zur Mitte des Palasts strebten. »Das überrascht dich, nicht wahr?«
»Allerdings. Ich dachte, du wolltest das Jahr hinter dich bringen und die Sache dann beenden.«
»Das dachte ich zuerst auch«, sagte er. »Doch ich habe mich in sie verliebt. Wirklich und wahrhaftig.«
»Es hat schon seltsamere Dinge gegeben.«
Wir durchquerten den marmornen Speisesaal und betraten den langen schmalen Korridor, der scheinbar endlos durch Schatten und Staub führte. Ich unterdrückte einen Schauder, als ich daran dachte, in welchem Zustand ich gewesen war, als ich diesen Weg das letztemal benutzt hatte.
»Sie mag mich wirklich«, sagte er. »Wie nie jemand zuvor.«
»Das freut mich für dich.«
Wir erreichten die Tür, die zu der Plattform am oberen Ende der langen Wendeltreppe führte. Sie stand offen. Wir schritten hindurch und begannen mit dem Abstieg.
»Mich nicht«, sagte er. »Ich wollte mich nicht verlieben. Damals nicht. Wie du weißt, waren wir die ganze Zeit in Gefangenschaft. Darauf kann sie doch niemals stolz sein!«
»Damit ist es nun vorbei«, sagte ich. »Du bist gefangen-gesetzt worden, weil du meinem Beispiel gefolgt bist und Eric töten wolltest, nicht wahr?«
»Ja. Aber dann kam sie hierher zu mir.«
»Das werde ich nicht vergessen«, sagte ich.
Wir eilten weiter. Es war ein weiter Weg in die Tiefe, und nur etwa alle vierzig Fuß brannte eine Laterne. Es war eine riesige, natürlich gewachsene Höhle. Ich fragte mich, ob überhaupt ein Mensch wußte, wie viele Tunnel und Korridore sie enthielt. Plötzlich überkam mich Mitleid mit den armen Geschöpfen, die in den Verliesen dort unten verkamen
– aus welchen Gründen auch immer. Ich beschloß, sie freizulassen oder eine bessere Verwendung für sie zu finden. Minuten vergingen. Ich sah das Flackern der Fackeln und Laternen unter mir.
»Es geht um ein Mädchen«, sagte ich. »Sie heißt Dara. Sie hat mir erzählt, sie sei Benedicts Urenkelin – und zwar äußerst glaubhaft. Sie besitzt eine gewisse Macht über die Schatten und war sehr darauf aus, das Muster abzuschreiten. Als ich sie zuletzt sah, galoppierte sie zur Stadt. Benedict hat mir inzwischen geschworen, sie sei nicht seine Enkelin. Und plötzlich habe ich Angst. Ich möchte sie vom Muster fernhalten. Ich möchte sie ausfragen.«
»Seltsam«, sagte er. »Sehr seltsam, da muß ich dir recht geben. Glaubst du, daß sie schon unten ist?« »Wenn nicht, dann kommt sie
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