Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Geschichte, weil sie mir noch sehr frisch im Gedächtnis war.
Ich seufzte und ließ mich in einen Sessel fallen.
»Wir haben gerade einen weiteren Bruder verloren«, begann ich. »Caine ist tot. Ich bin leider ein bißchen zu spät gekommen. Dieses Ding – dieses Wesen – hat es getan. Ich wollte es lebend fangen, du weißt, warum. Aber es wehrte sich erstaunlich heftig, und da hatte ich keine andere Wahl.«
Er pfiff leise durch die Zähne und setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl.
»Ich verstehe«, sagte er leise.
Ich musterte ihn eingehend. Lauerte da nicht ein schwaches Lächeln in den Kulissen, bereit, sich dem meinen anzuschließen? Durchaus möglich.
»Nein«, sagte ich entschieden. »Wenn es anders wäre, hätte ich dafür gesorgt, daß meine Unschuld weit weniger in Zweifel gezogen werden könnte. Ich sage dir, was wirklich geschehen ist.«
»Also schön«, sagte er. »Wo ist Caine jetzt?«
»Er liegt unter einer Erdschicht in der Nähe des Einhornwäldchens.«
»Das allein sieht ziemlich verdächtig aus«, sagte er. »Oder wird so aussehen – für die anderen.«
Ich nickte.
»Ich weiß. Doch ich mußte die Leiche verstecken und sie irgendwie bedecken. Ich konnte ihn nicht einfach herbringen und all die neugierigen Fragen auf mich einprasseln lassen. Nicht, solange da noch wichtige Tatsachen auf mich warten – in deinem Kopf.«
»Gut«, sagte Random. »Ich weiß nicht, wie wichtig sie sind, aber sie stehen dir natürlich zur Verfügung. Doch laß mich nicht in der Luft hängen, ja? Wie ist das alles passiert?«
»Es war unmittelbar nach dem Mittagessen«, sagte ich. »Ich hatte mit Gérard unten am Hafen gesessen. Anschließend holte mich Benedict durch einen Ruf mit seiner Trumpfkarte nach oben. In meinem Zimmer fand ich einen Zettel vor, den man offenbar unter der Tür hindurchgeschoben hatte. Darin wurde ich für später am Nachmittag zu einer privaten Zusammenkunft in das Einhornwäldchen gebeten. Die Unterschrift lautete: ›Caine‹.«
»Hast du den Zettel noch?«
»Ja.« Ich holte das Papier aus der Tasche und reichte es ihm. »Hier.«
Er studierte den Text und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht«, sagte er.
»Könnte
seine Handschrift sein – wenn er es sehr eilig hatte. Aber ich glaube nicht, daß sie es ist.«
Ich zuckte die Achseln, nahm den Zettel wieder an mich, faltete ihn zusammen und steckte ihn ein.
»Wie auch immer – ich versuchte, ihn durch seinen Trumpf zu erreichen, um mir den Ritt zu ersparen. Doch er war nicht empfangsbereit. Ich vermutete, er wollte seinen Aufenthaltsort geheimhalten, wenn die ganze Sache so wichtig war. Ich holte mir also ein Pferd und ritt los.«
»Hast du jemandem gesagt, wohin du wolltest?«
»Keiner Menschenseele. Allerdings beschloß ich, das Pferd ein bißchen auszureiten, und hatte ein ganz schönes Tempo drauf. Den Mord selbst habe ich nicht gesehen; aber als ich das Wäldchen erreichte, sah ich ihn schon am Boden liegen. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten, und in einiger Entfernung bewegte sich etwas in den Büschen. Ich ritt den Kerl nieder, sprang ihm in den Nacken, kämpfte mit ihm und mußte ihn schließlich töten, weil er sich wehrte wie der Teufel. Dabei ist kein Wort gefallen.«
»Bist du sicher, daß du den Richtigen erwischt hast?«
»So sicher, wie man in einer solchen Situation sein kann. Seine Spur führte zu Caine. Er hatte frisches Blut an der Kleidung.«
»Vielleicht sein eigenes.«
»Schau ihn dir genauer an – er hat überhaupt keine Wunden. Ich habe ihm das Genick gebrochen. Natürlich fiel mir ein, wo ich seinesgleichen schon mal gesehen hatte. Deshalb habe ich ihn direkt zu dir gebracht. Doch ehe du mir mehr darüber erzählst, noch eine Kleinigkeit, gewissermaßen die Krönung der Sache.« Ich zog die zweite Nachricht aus der Tasche und übergab sie ihm. »Das Geschöpf hatte das hier bei sich. Ich vermute, es hatte den Zettel Caine abgenommen.«
Random las und gab mir das Blatt mit einem Nicken zurück.
»Von dir an Caine, mit der Bitte um ein Treffen. Ja, ichverstehe. Überflüssig anzumerken ...«
»Ja, überflüssig anzumerken«, fiel ich ihm ins Wort, »daß die Schrift tatsächlich ein bißchen wie die meine aussieht – jedenfalls auf den ersten Blick.«
»Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn du als erster im Wäldchen eingetroffen wärst.«
»Wahrscheinlich gar nichts«, sagte ich. »Lebendig und unter Verdacht – so will man mich offenbar haben. Das Problem bestand
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