Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
all unsere speziellen Kräfte haben ihren Preis. Je größer die Macht, desto größer die Investition. Die Trümpfe sind eine Kleinigkeit; trotzdem birgt ihre Benutzung ein Element der Erschöpfung in sich. Die Wanderung durch die Schatten, eine Anwendung der Linien des Musters, das in uns existiert, erfordert eine noch größere Anstrengung. Die physische Bewältigung des eigentlichen Musters kostet bereits erhebliche Energien. Das Juwel aber, so sagt Dworkin, repräsentiert eine noch höhere Oktave desselben Phänomens, und die Kosten für den Benutzer sind gleich um mehrere Faktoren größer.«
Wenn das stimmte, offenbarte sich hier eine andere zwielichtige Charakterfacette jenes Bruders, den ich am wenigsten gemocht hatte. Hatte er das Phänomen gekannt und das Juwel bei der Verteidigung Ambers dennoch angelegt und zu lange getragen, so wurde er dadurch zu einer Art Held. Seine Weitergabe des Steins an mich ohne Warnung stellte sich in diesem Lichte allerdings als letzter Racheversuch des Sterbenden dar. Dabei hatte er mich seinen Worten zufolge ausdrücklich von seinem Fluch ausgenommen, den er gegen unsere Feinde auf der schwarzen Straße einzusetzen gedachte. Das bedeutete natürlich nur, daß er sie ein wenig mehr haßte als mich und seine letzten Kräfte strategisch möglichst günstig einsetzen wollte
– für Amber. Ich dachte an die Unvollständigkeit von Dworkins Notizen, die ich aus dem von Eric bezeichneten Versteck geholt hatte. War es möglich, daß Eric die kompletten Aufzeichnungen gefunden und den Teil mit den Warnungen absichtlich vernichtet hatte, um seinen Nachfolger in den Tod zu treiben? Dieser Gedanke erschien mir nicht gerade logisch, denn er konnte nicht wissen, daß ich in der Schlacht wieder auftauchen würde, daß der Kampf so enden würde und daß ich ihm tatsächlich auf den Thron folgen würde. Ebensogut hätte einer seiner Lieblingsbrüder an die Macht kommen können, in welchem Falle ihm sicher nicht daran gelegen hätte, irgendwelche Fallen zu hinterlassen. Nein. Wie ich die Dinge sah, war sich Eric entweder der wahren Eigenschaften des Steins nicht bewußt gewesen, da er eine nur unvollständige Gebrauchsanweisung erhalten hatte, oder jemand anders war vor mir an die Papiere herangekommen und hatte genügend Informationen entfernt, um mich mit einer tödlichen Gefahr auf der Brust dastehen zu lassen. Vielleicht war hier wieder unser Todfeind am Werk gewesen.
»Kennst du den Sicherheitsfaktor?« fragte ich.
»Nein«, erwiderte sie. »Ich kann dir nur zwei Hinweise geben; vielleicht nützen sie dir etwas. Erstens kann ich mich nicht erinnern, daß Vater das Schmuckstück jemals über längere Zeiträume hinweg getragen hat. Den zweitenAspekt habe ich mir aus einigen seiner Äußerungen zusammengesucht – angefangen mit der Bemerkung: ›Wenn Menschen zu Denkmälern werden, ist man selbst entwederam falschen Ort oder in Schwierigkeiten‹ Über einen längeren Zeitraum hinweg bedrängte ich ihn natürlich wegen einer näheren Erläuterung und gewann schließlich den Eindruck, daß das erste Anzeichen für eine zu lange Aktivierung des Juwels eine Art Verzerrung des Zeitgefühls ist. Anscheinend beginnt es den Metabolismus – alles – zu beschleunigen, was zur Folge hat, daß sich die Welt ringsum zu verlangsamen scheint. Dies muß den Träger ziemlich viel Kraft kosten. Und das ist alles, was ich darüber weiß, und ich muß zugeben, daß insbesondere das letztere zum größten Teil Vermutung ist. Wie lange trägst du das gute Stück jetzt schon?«
»Eine ganze Weile«, sagte ich, zählte insgeheim meine Herzschläge und blickte in die Runde, um zu sehen, ob sich schon etwas verlangsamt hatte.
Natürlich konnte ich nichts erkennen, wenn ich mich auch nicht besonders wohl fühlte. Bisher hatte ich allerdings vermutet, daß allein Gérard daran schuld war. Trotzdem wollte ich mir das Ding jetzt nicht einfach vom Hals reißen, nur weil es mir ein anderes Familienmitglied geraten hatte, auch wenn es die schlaue Fiona war, in zugänglicher Stimmung. Perversität, Halsstarrigkeit ... Nein, Unabhängigkeit. Das war es. Das und ein rein formelles Mißtrauen. Ich hatte das Ding erst vor einigen Stunden und nur für den Abend angelegt. Ich wollte warten.
»Nun, du hast erreicht, was du mit dem Juwel erreichen wolltest«, sagte sie. »Ich wollte dich nur davor warnen, dich dem Ding nicht zu lange auszusetzen, solange du nicht mehr darüber weißt.«
»Vielen Dank, Fi. Ich nehme das
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