Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
verbreitete. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte.
Ich war noch immer geschwächt von meiner Wunde«, setzte er seinen Bericht fort, »und beging den Fehler, mich zu übernehmen: Es kam der Tag, da ich zu weit und zu schnell ritt. An jenem Abend erkrankte ich und lag zitternd in meiner Decke – während der Nacht und fast den ganzen nächsten Tag. In dieser Zeit rutschte ich immer wieder ins Delirium und weiß daher nicht genau, wann sie auftauchte. Sie schien mir damals irgendwie zu meinem Traum zu gehören. Ein junges Mädchen. Hübsch. Sie kümmerte sich um mich, während ich langsam wieder zu Kräften kam. Sie hieß Dara. Wir unterhielten uns lange. Es war alles sehr angenehm. Jemanden zu haben, mit dem man so sprechen konnte ... Ich muß ihr meine ganze Lebensgeschichte erzählt haben. Anschließend berichtete sie mir von sich. Sie stammte nicht aus der Gegend, in der ich krank geworden war. Sie sagte, sie sei durch die Schatten angereist. Sie vermochte sie noch nicht zu durchschreiten, wie wir es tun, wenn sie auch der Meinung war, sie könne es eines Tages lernen, denn sie behauptete, sie sei durch Benedict mit dem Haus von Amber verwandt. Sie war besonders interessiert, das Schattenwandern zu lernen. Damals reiste sie über die schwarze Straße durch die Schatten. Ihren üblen Einflüssen gegenüber sei sie immun, sagte sie, denn sie sei zugleich mit den Bewohnern am anderen Ende verwandt, mit den Wesen der Höfe des Chaos. Sie wollte jedoch unsere Methoden kennenlernen, und ich gab mir große Mühe, sie so weit zu unterrichten, wie ich selbst Bescheid wußte. Ich erzählte ihr vom Muster und zeichnete es ihr sogar auf. Ich zeigte ihr meine Trümpfe – Benedict hatte mir ein Spiel gegeben –, damit sie wußte, wie ihre anderen Verwandten aussahen. Dabei interessierte sie sich besonders für dein Bild.«
»Ich beginne langsam zu verstehen«, sagte ich. »Sprich weiter.«
»Sie erzählte mir, Amber habe durch das Ausmaß seiner Korruption und durch seine Anmaßung das metaphysische Gleichgewicht zwischen sich selbst und den Höfen des Chaos gestört. Ihre Leute hätten nun die Aufgabe, dies zu korrigieren, indem sie Amber vernichteten. Ihre Heimat ist kein Schatten Ambers, sondern eine eigenständige solide Welt. Unterdessen haben all die dazwischenliegenden Schatten infolge der schwarzen Straße einiges zu erleiden. Da meine Kenntnisse über Amber denkbar beschränkt waren, konnte ich ihr nur zuhören. Zuerst akzeptierte ich alles, was sie sagte. Brand jedenfalls schien mir ihrer Beschreibung böser Mächte in Amber durchaus zu entsprechen. Aber als ich ihn erwähnte, widersprach sie mir. In ihrer Heimat war er offenbar eine Art Held. Sie kannte die Einzelheiten nicht, machte sich aber auch keine großen Sorgen darum. Erst jetzt ging mir auf, wie selbstbewußt sie in jeder Hinsicht war – wenn sie sprach, hatte ihre Stimme einen geradezu fanatischen Klang. Fast gegen meinen Willen versuchte ich Amber zu verteidigen. Ich dachte an Llewella und Benedict – und an Gérard, den ich einige Male gesehen hatte. Dabei stellte ich fest, daß sie sich sehr für Benedict interessierte – er war gewissermaßen ihreschwache Stelle. Über ihn hatte ich nun einige Kenntnisse zu vermitteln, und in seinem Falle war sie bereit, die guten Dinge zu glauben, die ich äußerte. Ich weiß natürlich nicht, was all das Gerede letztlich bewirkt hat, außer daß sie zum Schluß nicht mehr ganz so selbstsicher zu sein schien ...«
»Zum Schluß?« fragte ich. »Was soll das heißen? Wie lange war sie denn bei dir?«
»Fast eine Woche«, antwortete er. »Sie sagte, sie wolle sich um mich kümmern, bis ich wieder gesund sei – und das tat sie auch. Sie blieb sogar einige Tage länger. Sie sagte, sie wolle nur ganz sicher gehen, doch in Wirklichkeit wollte sie wohl unser Gespräch fortsetzen. Dann verkündete sie aber doch, sie müsse weiter. Ich bat sie, bei mir zu bleiben, doch sie lehnte ab. Ich bot ihr an, sie zu begleiten, aber auch das war ihr nicht recht. Dann muß sie erkannt haben, daß ich ihr folgen wollte, denn sie schlich sich während der Nacht davon. Ich konnte nicht auf der schwarzen Straße reiten und hatte keine Ahnung, welchen Schatten sie auf ihrem Wege nach Amber als nächsten aufsuchen würde. Als ich am nächsten Morgen erwachte und erkannte, daß sie fort war, spielte ich eine Zeitlang mit dem Gedanken, selbst nach Amber zu gehen. Aber ich hatte noch immer Angst. Möglicherweise hatten einige
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