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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Vielleicht hatten sie Angst, daß ich zu bleiben und sie zu beherrschen wünschte. Als ich aus der Burg ritt, waren sie womöglich erleichtert – mit Ausnahme Ganelons. Ganelon mochte annehmen, daß ich nicht wie versprochen zurückkehren würde, um ihn abzuholen. Dies war meinem Gefühl nach der Grund, warum er sich erbot, mich auch bei der Verfolgung Lorraines zu begleiten. Aber dies war eine Sache, die ich allein erledigen mußte.
    Wie ich jetzt zu meiner Überraschung erkannte, hatte mir Lorraine einiges bedeutet – ihre Handlungsweise kränkte mich ziemlich. Ich war der Meinung, sie müsse mich zumindest anhören, ehe sie ihres Weges zog. Wenn sie sich dann immer noch für ihren sterblichen Offizier entschied, konnte sie auf meinen Segen rechnen. Wenn nicht, dann wollte ich sie bei mir behalten – das machte ich mir nun klar. Das schöne Avalon mußte warten, bis ich diese Angelegenheit geregelt hatte – und zum Ende oder Neubeginn.
    Ich folgte der Spur, und in den Bäumen ringsum sangen die Vögel. Der Tag war hell, erfüllt von einem himmelblauen, baumgrünen Frieden, denn die Plage war vom Land gewichen. In meinem Herzen regte sich so etwas wie Freude, daß ich zumindest einen kleinen Teil des Übels getilgthatte, welches auf meinem Gewissen lastete. Übel? Hölle und Verdammnis, ich habe in meiner Zeit mehr Böses angerichtet als die meisten Menschen, doch ich hatte mit der Zeit auch ein Gewissen entwickelt, irgendwie, und diesem Gewissen gönnte ich nun einen der seltenen Augenblicke der Zufriedenheit. Sobald ich Amber beherrschte, konnte ich ihm wieder etwas mehr die Zügel schießen lassen, meinte ich. Ha!
    Die Spur führte mich nach Norden, und die Gegend war mir fremd. Ich folgte einem gutausgetretenen Weg, auf dem sich die frischen Spuren zweier Reiter abzeichneten. Ich folgte diesen Spuren den ganzen Tag lang, durch die Abenddämmerung bis in die Dunkelheit. Von Zeit zu Zeit stieg ich ab und untersuchte den Weg. Schließlich begannen mir die Augen Streiche zu spielen, und ich suchte mir eine kleine Senke einige hundert Meter links vom Weg und schlug dort mein Nachtlager auf. Zweifellos war es auf meine Halsschmerzen zurückzuführen, daß ich von dem Gehörnten träumte und den ganzen Kampf noch einmal durchfechten mußte. »Helft uns, dann verschaffen wir Euch, was Euch rechtmäßig gehört«, sagte das Geschöpf. An dieser Stelle erwachte ich abrupt, und ein Fluch lag auf meinen Lippen.
    Als der Morgen den Himmel bleichte, stieg ich auf und setzte meinen Weg fort. Es war eine kalte Nacht gewesen, und ein kühler Hauch aus dem Norden hielt mich nach wie vor in seinem Bann. Das Gras glitzerte von leichtem Frost, und mein Umhang war feucht, da er während der Nacht auf dem Boden unter mir gelegen hatte.
    Gegen Mittag war etwas Wärme in die Welt zurückgekehrt, und die Spur war frischer. Ich holte langsam auf.
    Als ich sie schließlich fand, sprang ich von meinem Reittier und rannte zu ihr. Sie lag unter einem Wildrosenbusch ohne Blüten, dessen Dornen sie an Wange und Schulter zerkratzt hatten. Sie war noch nicht lange tot. Dort, wo die Klinge eingedrungen war, schimmerte das Blut noch feucht auf ihrer Brust, ihre Haut fühlte sich noch warm an.
    Es gab keine Felsbrocken, mit denen ich ihr ein Steingrab hätte bauen können; also hieb ich mit Grayswaridir auf den Boden ein und bettete sie in die flache Grube. Er hatte ihr Armbänder, Ringe und den juwelenbesetzten Aufsteckkamm abgenommen – ihr ganzes Vermögen. Ich mußte ihr die Augen schließen, ehe ich provisorisch meinen Mantel über sie legte und mit Zweigen bedeckte; dabei begannen meine Hände zu zittern, und mein Blick trübte sich. Ich brauchte lange, um darüber hinwegzukommen.
    Ich ritt weiter, und es dauerte nicht lange, bis ich ihn einholte; er galoppierte dahin, als sei der Teufel hinter ihm her, was ja auch stimmte. Ich sprach kein Wort, als ich ihn vom Pferd holte, und auch hinterher nicht, und ich beschmutzte auch nicht meine Klinge, obwohl er die seine zog. Ich schleuderte seinen entstellten Leichnam in eine hohe Eiche, und als ich später zurückschaute, war die Baumkrone schwarz von Vögeln.
    Ehe ich das Grab schloß, gab ich ihr die Ringe, Armbänder und Kämme zurück – und das war Lorraine. Ihr ganzes Leben, all ihre Wünsche, hatten hier gemündet, zu diesem Ort geführt – und das ist die ganze Geschichte unserer Begegnung und Trennung in jenem Land, das Lorraine heißt.
    Eine Geschichte, die wohl zu meinem Leben

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