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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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nicht mehr, in welche Richtung ich ging oder wo Random und Deirdre und Moire standen. Ströme durchzuckten mich, und ich hatte das Empfinden, daß meine Augäpfel vibrierten. Plötzlich spürte ich ein Prickeln wie von Nadeln in den Wangen und einen kühlen Hauch im Nacken. Ich biß die Zähne zusammen, damit sie nicht zu klappern begannen.
    Nicht der Autounfall hatte die Amnesie ausgelöst. Ich hatte seit der Herrschaft Elizabeths I. kein volles Erinnerungsvermögen mehr gehabt! Flora mußte angenommen haben, der kürzliche Unfall habe mich völlig wiederhergestellt. Sie hatte meinen Zustand gekannt. Plötzlich kam mir der Gedanke, daß sie sich vermutlich nur deswegen auf
    der Schatten-Erde aufhielt, um mich im Auge zu behalten.
    Also seit dem sechzehnten Jahrhundert?
    Das vermochte ich nicht zu sagen. Doch ich würde es herausfinden.
    Ich machte sechs weitere schnelle Schritte, erreichte das Ende einer Biegung und stand am Ausgangspunkt einer geraden Linie.
    Ich setzte den Fuß darauf, und mit jedem Schritt begann sich eine weitere Barriere unangenehm bemerkbar zu machen. Es handelte sich um den Zweiten Schleier.
    Es folgte eine rechtwinklige Biegung, eine zweite, eine dritte.
    Ich war ein Prinz von Amber. Das war die Wahrheit. Ursprünglich waren es fünfzehn Brüder gewesen, von denen sechs nicht mehr lebten. Es hatte acht Schwestern gegeben, von denen zwei, vielleicht sogar vier tot waren. Wir hatten einen Großteil unseres Lebens mit Wanderungen durch die Schatten oder unsere eigenen Universen verbracht. Es ist eine philosophische Frage, ob ein Wesen mit Macht über die Schatten sein eigenes Universum schaffen kann. Wie immer die Antwort darauf letztlich aussehen mochte – in der Praxis war es möglich.
    Eine weitere Biegung begann, und es war, als bewegte ich mich auf Leim.
    Eins, zwei, drei, vier ... Ich hob meine glühenden Stiefel und senkte sie wieder.
    Der Kopf dröhnte mir wie eine Glocke, und mein Herz fühlte sich an, als hämmere es sich selbst in Stücke.
    Amber.
    Als ich mich an Amber erinnerte, kam ich plötzlich wieder ganz leicht voran.
    Amber war die großartigste Stadt, die es je gegeben hatte oder geben würde. Amber hatte seit Ewigkeiten bestanden und würde ewig bestehen – und jede andere Stadt, wo immer sie auch stehen mochte, war nur der Schatten einer Phase Ambers, Amber, Amber, Amber ... Ich erinnere mich an dich. Ich werde dich nie wieder vergessen. Tief im Innern habe ich dich wohl nie wirklich vergessen, in all jenen Jahrhunderten, die ich auf der Schatten-Erde verbrachte, denn meine nächtlichen Träume wurden oft von Visionen deiner grünen und goldenen Türme und deiner weiten Terrassen heimgesucht. Ich erinnere mich an deine breiten Promenaden und die Meere aus goldenen und roten Blumen. Ich erinnere mich an die Süße deiner Luft und an die Tempel, Paläste und Freuden, die du zu bieten hast, zu bieten hattest und immer bieten wirst. Amber, die unsterbliche Stadt, von der jede andere Stadt nur ein Abklatsch ist, ich kann dich nicht vergessen, selbst jetzt nicht; auch vermag ich jenen Tag auf dem Muster von Rebma nicht zu vergessen, da ich dich innerhalb deiner reflektierten Mauern wiedererkannte, erfrischt von einer Mahlzeit nach langem Hunger und von der Liebesstunde mit Moire, doch nichts ließ sich mit der Freude und Wonne der Erinnerung an dich vergleichen; und selbst jetzt, da ich vor dem Gericht des Chaos stehe und diese Geschichte dem einzigen Anwesenden vortrage, damit er sie vielleicht weitererzähle, damit sie nicht untergehe, wenn ich gestorben bin – selbst jetzt erinnere ich mich in Liebe an dich, an die Stadt, in der zu herrschen ich geboren wurde ...
    Nach zehn weiteren Schritten erhob sich vor mir ein sprühendes Filigrannetz aus Feuer. Ich stellte meine Kräfte dagegen, während mein Schweiß vom Wasser aufgesaugt wurde, so schnell er sich bildete.
    Es war gefährlich, teuflisch gefährlich, und ich hatte plötzlich den Eindruck, als bewegte sich das Wasser im Saal mit starken Strömungen, die mich aus dem Muster zu reißen drohten. Ich widersetzte mich diesen Kräften und strebte weiter. Instinktiv wußte ich, daß ich sterben mußte, wenn ich das Muster vorzeitig verließ. Ich wagte es nicht, meinen Blick von den hellen Stellen zu nehmen, die vor mir lagen – etwa um zu sehen, wie weit ich schon vorgedrungen war, wie weit ich noch zu gehen hatte.
    Die Strömungen ließen nach, und weitere Erinnerungen kehrten zurück ... Erinnerungen an mein Leben als

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