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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Schatten auszubrechen drohten, machte ich ihn zu meinem Waffengefährten. Wir waren gemeinsam in den Kampf geritten. Ich schlug ihn noch auf dem Schlachtfeld bei den Jones-Fällen zum Ritter, eine Auszeichnung, die er sich verdient hatte. Danach hatte er sich fortentwickelt und mich in Dichtkunst und Musik sogar überrundet. Seine Farbe war das Scharlachrot, seine Worte waren golden. Ich liebte ihn, zählte ihn zu meinen zwei oder drei Freunden in Amber. Ich hatte allerdings nicht angenommen, daß er das Risiko eingehen würde, mir eine anständige Mahlzeit zu bringen. Das hatte ich von niemandem erwartet. Ich nahm noch einen Schluck aus der Flasche und rauchte eine weitere Zigarette, auf ihn, zu seinen Ehren. Er war ein guter Kamerad. Ich fragte mich, wie lange er dies alles überleben würde.
    Ich warf die Zigarettenstummel in die Toilette und – nach einiger Zeit – auch die leere Flasche. Ich wollte nichts in der Zelle behalten, was auf ein Gelage schließen ließ, falls eine plötzliche Inspektion stattfand. Ich verzehrte all die guten Sachen, die er mir gebracht hatte, und fühlte mich zum erstenmal in dieser Zelle voll gesättigt. Ich hob mir die letzte Flasche für einen hübschen Vollrausch und eine angenehme Zeit des Vergessens auf. Und als das vorbei war, kehrte ich in meinen Teufelskreis der Vorwürfe zurück.
    In erster Linie hoffte ich, daß Eric keine Ahnung von unserer umfassenden Macht hatte. Gewiß, er war König in Amber, aber er wußte nicht alles. Noch nicht. Nicht in dem Umfang, wie Vater Bescheid gewußt hatte. Es gab eine Chance von eins zu einer Million, die sich vielleicht trotz allem zu meinen Gunsten auswirken konnte. Dermaßen umfassend und dermaßen überraschend, daß mir diese Chance zumindest half, einen letzten Rest von Verstand zu bewahren, obwohl ich von Verzweiflung geschüttelt wurde.
    Vielleicht war ich dennoch eine Zeitlang verrückt, ich weiß es nicht. Es gibt Tage, die für mich eine einzige große Leere darstellen, jetzt da ich hier am Rande des Chaos stehe. Gott allein weiß, was in dieser Zeit vorging, und ich werde niemals einen Seelenarzt aufsuchen, um mehr darüber zu erfahren.
    Ihr lieben Ärzte, unter euch ist ohnehin niemand, der mit meiner Familie fertig würde!
    Ich lag in meiner Zelle oder wanderte in der lähmenden Dunkelheit hin und her. Meine Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen nahm zu. Ich erlauschte das Rascheln von Rattenfüßchen im Stroh, das ferne Stöhnen anderer Gefangener, die widerhallenden Schritte eines Wächters, der sich mit einem Essenstablett näherte. Aus solchen Details begann ich Entfernungen und Richtungen abzuleiten.
    Vermutlich wurde ich auch empfänglicher für Düfte, doch über diesen Aspekt versuchte ich nicht allzu gründlich nachzudenken. Neben den denkbar unangenehmen Düften machte sich lange Zeit etwas bemerkbar, das ich für den Geruch verwesenden Fleisches hielt. Ich überlegte. Wenn ich hier starb, wieviel Zeit würde vergehen, ehe jemand etwas merkte? Wie viele Stücke Brot und Schalen mit undefinierbarer Suppe mußten ungegessen bleiben, ehe der Wächter darauf kam, die Fortdauer meiner Existenz zu überprüfen?
    Die Antwort auf diese Frage konnte noch sehr wichtig sein.
    Der Todesgestank hielt sich eine ganze Weile. Ich versuchte, mir wieder einen Begriff von der Zeit zu machen und gewann den Eindruck, daß der Geruch über eine Woche lang bemerkbar war.
    Obwohl ich mir den Vorrat vorsichtig einteilte und den Versuchungen so lange wie möglich widerstand, kam schließlich doch der Augenblick, da ich nur noch eine Packung Zigaretten hatte.
    Ich riß sie auf und zündete mir eine an. Ich hatte einen ganzen Karton besessen und hatte nun elf Packungen aufgebraucht. Das waren zweihundertundzwanzig Zigaretten. Ich hatte einmal die Zeit ausgerechnet, die ich für eine Zigarette brauchte – sieben Minuten. Das ergab eine Gesamtzeit von eintausendfünfhundertundvierzig Rauchminuten – fünfundzwanzig Stunden und vierzig Minuten. Ich war sicher, daß zwischen jeder Zigarette und der nächsten mindestens eine Stunde gelegen hatte, eher anderthalb Stunden. Nehmen wir anderthalb. Außerdem mußte berücksichtigt werden, daß ich täglich sechs bis acht Stunden schlief. Damit blieben sechzehn bis achtzehn Stunden. Ich vermutete, daß ich zehn bis zwölf Zigaretten am Tag geraucht hatte. Seit Reins Besuch mochten also etwa drei Wochen vergangen sein. Er hatte mir damals erzählt, die Krönung liege vier Monate und zehn Tage

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