Die Prinzen Von Irland
Schlacht verloren hatten oder bei
Wikinger–Überfällen in Gefangenschaft geraten waren. So hart es auch war, König
Brian Boru setzte jetzt nur ein Zeichen, das die gesamte nördliche Welt
verstehen würde.
Das
erste Ziel des Goldschmieds war es, herauszufinden, wo Harolds Familie gefangen
gehalten wurde. Wenn möglich, wollte er versuchen, mit ihnen Tuchfühlung
aufzunehmen und ihnen zumindest ein wenig Trost zu spenden. Erst dann könnte er
überlegen, wie er sie da herausholen könnte. Dass es ihm gelingen würde, sie
ihren Bewachern heimlich wegzuschnappen, war unwahrscheinlich. Womöglich hatte
man Astrid auch von ihren Kindern getrennt, um sie auf verschiedenen Märkten zu
verkaufen. Natürlich konnte er auch versuchen, die Wachen zu bestechen; aber
dass ihm dies gelänge, hielt er ebenfalls für unwahrscheinlich. Größere Chancen
versprach er sich, wenn er sie den Munstermännern zum vollen Marktpreis ganz
offen abkaufte. Aber dann müsste er erklären, wer er war, und dies könnte ihn
in eine heikle Lage bringen. Am Ende würde er, so dachte er bitter, noch selbst
auf dem Sklavenmarkt landen.
Nun
lag der Quai vor ihm. Seine Poller waren überfüllt mit vertäuten Schiffen.
Niemand nahm Notiz von Morann, als er dort entlangzuspazieren begann. Gerade
kam mit schwungvollen Schritten eine Gruppe Bewaffneter aus einer Seitengasse
zu seiner Rechten herausmarschiert. Er blieb stehen und wollte beobachten, wie
sie an ihm vorüberschritten.
Aber
sie schritten nicht vorüber. Plötzlich wurden seine Arme von Händen gepackt.
Zuerst wehrte er sich, versuchte zu protestieren, erkannte aber, dass es
zwecklos war. Daher wurde er sofort ganz ruhig.
»Was
wollt ihr von mir, Jungs?«, fragte er gelassen. »Wo bringt ihr mich hin?«
Der
befehligende Offizier war ein dunkelhäutiger Kerl mit einer Miene, die ruhige
Autorität ausstrahlte. Er pflanzte sich vor dem Goldschmied auf und sagte
grinsend:
»Wir
wollen, dass du, Morann Mac Goibnenn, uns das Vergnügen bereitest, uns zu
begleiten. Und wo wir dich hinbringen? Zu König Brian Boru höchstpersönlich.
Und du willst den Mann doch wohl nicht warten lassen, nicht wahr?«
* * *
Man ließ jedoch
Morann warten. Und zwar den ganzen Nachmittag lang. Welches Schicksal ihm auch
drohte, so war er doch furchtbar neugierig, den König von Munster zu sehen, den
sein Talent und sein Ehrgeiz fast bis zum Gipfel der Macht erhoben hatten;
während er wartete, rief er sich alles ins Gedächtnis, was er über Brian Boru
gehört hatte.
Er
wurde als jüngster Sohn seines Vaters Kennedy unweit einer Furt am Ufer des Shannon
geboren. Irgendwo hatte Morann einmal aufgeschnappt, dass Brian bereits in
seiner frühesten Jugend von einem filidh prophezeit worden
war, dass er ein Mann des Schicksals sei und dass er, da an einer Furt geboren,
auch an einer Furt sterben werde. Nun befand er sich just in der Nähe von Ath
Cliath, aber er war mehr als lebendig. »Er liebt die Frauen«, hieß es. Aber wer
liebte sie nicht? Bisher hatte er es zu drei Ehefrauen gebracht. Die zweite
Gemahlin war eine äußerst temperamentvolle Frau und die Schwester des Königs
von Leinster gewesen. Zuvor war sie nicht nur mit dem Wikinger–König von
Dyflin, sondern auch mit dem O’Neill–Hochkönig verheiratet gewesen. Aber bevor
Brian sie verstieß, hatte sie ihm noch einen prächtigen Sohn geboren.
Viele
vermuteten, so wusste Morann, dass diese Scheidung zu dem Hass geführt hatte,
der sich hinter der Revolte der Könige von Leinster und Dyflin gegen Brian
verbarg; aber ein Stammeshäuptling, der den König von Leinster gut kannte,
hatte Morann versichert, dass dieses Gerücht aus der Luft gegriffen sei.
Scheidungen waren unter den königlichen Familien der Insel weiß Gott nichts
Ungewöhnliches. Vermutlich war der Hass auf Boru nichts anderes als die
unvermeidliche Eifersucht auf einen Mann, der so weit und so rasch aufsteigt.
Was jedoch niemand bestritt, war die überragende Kühnheit des Königs von
Munster. »Er ist ebenso geduldig wie verwegen«, bestätigten alle. Und er dürfte
inzwischen Ende fünfzig, aber, wie es hieß, noch bei besten Kräften sein.
Es
begann fast schon zu dämmern, als Morann endlich in die große Halle des Königs
von Dyflin geführt wurde, die Brian in Beschlag genommen hatte. In der Mitte
brannte ein Feuer, in dessen Umkreis mehrere Männer standen. Einer von diesen,
so fiel ihm auf, war der reiche Händler, der Bernstein importierte. Die Person,
die neben ihm stand und
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