Die Prinzen Von Irland
sich ihm gerade zuwandte, musste seiner Ansicht nach
Brian Boru sein. Der König war nicht von überragender Gestalt, sondern kaum
mehr als mittelgroß. Er hatte ein langes, schmales Gesicht, eine dünne Nase,
intelligente Augen. Sein Haar war, wo nicht angegraut, von kräftigem Braun.
Sein Gesicht hatte feine Züge; er könnte auch ein Priester gewesen sein, dachte
Morann – aber nur so lange, bis Brian ein paar Schritte auf ihn zutrat, denn
der König bewegte sich mit der gefährlichen Geschmeidigkeit einer Katze.
»Ich
weiß, wer du bist. Man hat dich gesehen.« Er verlor keine Zeit und kam sofort
zum Wesentlichen. »Wo bist du gewesen?«
»In
Keils, Brian, Sohn des Kennedy.«
»Oh,
ich verstehe. Und du hoffst, dass deine Wertsachen dort vor mir sicher sind.
Wie man mir berichtet, hast du nicht viel in deinem Haus zurückgelassen. Aber
du weißt: Wer rebelliert, muss dafür zahlen.«
»Ich
habe nicht rebelliert.« Und das traf zu.
»Ach,
nein?«
»Dieser
Mann dort könnte es Euch bestätigen.« Morann zeigte auf den Bernsteinhändler.
»Ich habe die Bewohner von Dyflin gewarnt, dass es ein Irrtum wäre, sich Euch
zu widersetzen. Das hat ihnen nicht gefallen. Darauf habe ich die Stadt
verlassen.« König Brian wandte sich nach dem Bernsteinhändler um, und dieser
nickte bestätigend.
»Warum
bist du dann zurückgekommen?«, fragte der König.
Morann
nannte ihm in genauen Einzelheiten die Etappen seiner Reise, unter anderem wie
er mit Osgar und der Nonne aufgebrochen war und wie er entdeckte, dass man
Harolds Frau und Kinder verschleppt hatte. Was er diskret überging, war der
Zwischenfall in Rathmines und seine Flucht mit Caoilinn und ihrem Mann in das
Kloster, und er hoffte, dass Brian davon nichts wusste.
»Du
bist also wegen deiner Freunde zurückgekommen?« Brian drehte sich nach den
anderen um und meinte: »Da dieser Mann nicht beschränkt ist, muss er wahrhaft
Mut besitzen.« Dann wandte er sich wieder Morann zu und sagte kühl: »Du bist
ein Freund von Ostmännern, wie es scheint.«
»Nicht
unbedingt.«
»Aber
die Familienangehörigen deiner Frau sind Ostmänner«, bemerkte Brian ruhig, wenn
auch mit einem warnenden Unterton. Diesen König konnte man wahrhaftig nicht
täuschen. »Und das muss der Hauptgrund gewesen sein, warum du überhaupt hierher
gezogen bist: deine Liebe zu den Ostmännern.« Trieb König Brian ein Spiel mit
ihm – wie eine Katze mit der Maus?
»In
Wirklichkeit«, antwortete Morann ebenso ruhig, »war mein Vater derjenige, der
mich hierher gebracht hat, als ich kaum mehr als ein kleiner Junge war.« Ein
flüchtiges Schmunzeln überkam ihn, als er sich an seine Reise erinnerte, die
ihn an den alten Gräbern über den Ufern des Boyne vorbeigeführt hatte. »Meine
Familie bestand seit jeher aus Handwerkern, die bereits lange, bevor der
heilige Patrick ins Land kam, von den Königen geehrt wurden. Und mein Vater
hasste die Ostmänner. Aber er ließ mich nach Dyflin kommen, denn er sagte
immer, dass Dyflin die Stadt der Zukunft sei.«
»Hat
er das auch jetzt gesagt? Und lebt er noch, dieser kluge Mann?« Ob seine Frage
zynisch oder ernst gemeint war, war schwer zu sagen.
»Er
ist seit langem tot.«
Brian
Boru schwieg und schien mit sich zu Rate zu gehen. Dann trat er dicht vor den
Goldschmied hin. »Als ich jung war, Morann Mac Goibnenn« – er sprach so leise,
dass Morann vermutlich der Einzige war, der ihn hörte –, »da hasste ich die
Ostmänner. Sie waren in unser Land eingefallen. Wir haben gegen sie gekämpft.
Einmal habe ich sogar ihren Hafen Limerick niedergebrannt. Glaubst du, dass das
klug von mir war?«
»Ihr
musstet ihnen eine Lektion erteilen, denke ich.«
»Vielleicht.
Aber ich, Morann Mac Goibnenn, ich war derjenige, der einer Lektion bedurfte.«
Er legte Morann einen kleinen Gegenstand in die Hand. »Was meinst du, was das
ist?« Es war eine kleine Silbermünze. Erst vor zwei Jahren hatte der König von
Dyflin damit begonnen, sie prägen zu lassen. Nach Moranns Ansicht war sie nicht
gerade ein Kunstwerk, aber dennoch eine recht passable Arbeit. Anstatt seine
Antwort abzuwarten, fuhr Brian fort: »Die Römer haben schon vor tausend Jahren
Münzen geprägt. In Paris und in der Normandie werden Münzen geprägt. In York
prägen die Dänen Münzen; in London und mehreren anderen Städten prägen die
Sachsen Münzen. Aber wo prägen wir auf dieser Insel Münzen? Nirgends außer in
dem Ostmännerhafen Dyflin. Was schließt du daraus, Morann?«
»Dass
Dyflin der
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