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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Jahre gab er sich
immer öfter dem Alkohol hin. Die letzten Jahre mit diesem Mann waren wahrhaftig
nicht leicht gewesen, und um sie durchzustehen, hatte sich Caoilinn an ihre
Erinnerung geklammert, die Erinnerung an die hoch gewachsene, ansehnliche
Gestalt, die Cormac einst gewesen war. Die Erinnerung an seinen Mut, seine
Stärke, sein königliches Geblüt. Vor allem hatte sie aber ihre Kinder schützen
wollen. Immer stellte sie ihnen ihren Vater als gefallenen Helden dar. Wenn er
endlose Wochen lang faul und träge herumlag oder unvermutet über den
nichtigsten Anlass in Zorn ausbrach, so seien dies die Drangsale seiner
heroischen Natur gewesen. Wenn seine Stimmung in den letzten Tagen in morbide
Finsternis versank, so sei dies keine Finsternis, die aus seinem eigenen Innern
stamme, sondern eine, mit der die bösen Geister ihn umringt hätten. Und woher
kamen diese Geister? Wer war die eigentliche Ursache all dieses Elends? Das
konnte nur dieser Emporkömmling sein, der alles unternommen habe, um jenes alte
Königshaus von Leinster zu demütigen, dem ihr Gemahl und ihre Kinder voller
Stolz angehörten. Brian Boru sei an allem schuld. Nicht die Gebrechlichkeit
ihres Gemahls, sondern Brians böser Wille war die Ursache ihres Elends. Dies
lehrte sie ihre Kinder zu glauben. Und als sich die Erniedrigungen und
Demütigungen mit den Jahren häuften, glaubte sie es schließlich auch selbst.
Sogar jetzt noch, da sie wieder eine freie Frau war und ihre Kinder erwachsen
waren, trug sie ihren Hass auf Brian wie einen Feuerstein in ihrem Herzen.
    Zu
Mittwinter war Cormac gestorben. So viele schmerzliche Erinnerungen Caoilinn
auch hatte, so war ihr Gewissen doch klar und rein. Sie hatte ihr Bestes getan.
Ihre Kinder waren gesund. Und dank ihrer fähigen Arbeit als Verwalterin – denn
sie hatte sein Anwesen, wenn auch nur stellvertretend, jahrelang geführt –
waren sie und die Kinder nun fast wieder so wohlhabend, wie sie es vor der
Schlacht von Gien Mama gewesen waren. Als es Frühling wurde, hatten die Wunden
ihrer Trauer allmählich zu heilen begonnen. Im Frühsommer fühlte sie sich
bereits recht fröhlich. Im Juni meinten die Leute zu ihr, sie sehe so jung wie
schon seit Jahren nicht mehr aus. Während in den langen warmen Tagen des August
die Ernten reiften, keimte in ihr die Ahnung, sie könnte eines Tages vielleicht
noch einmal heiraten. Und als die Ernte eingefahren wurde, begann sie sich
heiter und gelassen umzusehen.
    * * *
    Osgar wusste kaum,
wie ihm zu Mute war, als er sich im Oktober jenen Jahres dem Familienkloster in
Dyflin näherte.
    Samhain
nahte – für seinen Onkel, sagte er sich, gerade die rechte Zeit, seine Reise
ins Jenseits anzutreten. Der alte Abt war ganz friedlich dahingegangen. So
hatte Osgar, als er an jenem wolkenlosen Herbsttag den Weg von den Bergen
herabgestiegen war, lediglich eine leichte Schwermut ergriffen, während er
voller Liebe an den alten Mann dachte. Aber als er die Pforten des Klosters
erreichte, beschäftigte ihn ein ganz anderer Gedanke. Er wusste nämlich nur zu
gut, was sie ihn fragen würden. Und die Frage, die er sich selbst noch nicht
beantwortet hatte, lautete: Was würde er nun tun?
    Alle
hatten sich versammelt: die Söhne, Freunde und die Familie seines Onkels, die
er seit Jahren nicht gesehen hatte. Morann Mac Goibnenn war da. Und auch
Caoilinn. Die Totenwache ging gerade ihrem Ende zu, als Osgar eintraf, aber sie
baten ihn, die letzten Akte geistlichen Beistands zu leiten, während sie den
alten Mann in sein Grab legten. Es war nett von Caoilinn gewesen, dass sie ihn
danach eingeladen hatte, sie am nächsten Tag in Rathmines zu besuchen.
    Als
er eintraf, war es Mittag. Er hatte sie gebeten, nur das bescheidenste Mahl zu
bereiten. »Vergiss nicht, dass ich nur ein einfacher Mönch bin«, hatte er ihr
gesagt. Er war sehr froh, als er feststellte, dass sie dafür gesorgt hatte,
dass sie allein miteinander speisten. Während er die attraktive dunkelhaarige
Frau betrachtete, wurde ihm mit leichtem Schrecken bewusst, dass er seit
fünfundzwanzig Jahren mit keiner Frau mehr allein zusammengesessen hatte. Es
dauerte nicht lange, bis sie auf die Hauptfrage zu sprechen kam, die allen
durch den Kopf ging.
    »Kommst
du nun wieder zurück, Osgar?«
    Das
war es, was sich alle wünschten. Nun, da sein Onkel das Zeitliche gesegnet
hatte, wurde von Osgar erwartet, dass er an seine Stelle trete. Das wünschten
die Söhne seines Onkels, da keiner von ihnen eine echte Sehnsucht

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