Die Prinzen Von Irland
sie wütend. »Nichts Besonderes, außer dass eure Schwester verkauft
werden soll.«
* * *
Lughnasa. Hochsommer.
Während der feierlichen Zeremonien würden die Druiden dem Gott Lugh die Ernteopfer
darbringen; die Frauen würden tanzen – und für Deirdre bestand die Aussicht,
dass sie vom Fleck weg einem wildfremden Mann übergeben und vielleicht nie mehr
nach Dubh Linn zurückkehren würde.
Allein
hatte sie sich zu einem Bummel über das offene Gelände aufgemacht. Hier und da
hatten sich Leute, die an den festlich geschmückten Ständen oder in Gruppen
beieinander standen, nach ihr umgedreht. Sie ging an Zelten und Pferchen
vorüber und bemerkte, dass sie gleich die große Rennbahn erreicht haben musste.
Im Augenblick war zwar noch kein großes Rennen angesetzt, aber einige der
jungen Männer würden bereits ihre Pferde trainieren oder vielleicht ein, zwei
zwanglose Freundschaftsrennen veranstalten. Jedenfalls sah es so aus, als
würden gerade einige Tiere zu diesem Zweck dorthin geführt werden. Die
Spätvormittagssonne starrte hart vom Himmel, als sie zu einer mit einem
Geländer umzäunten Einfriedung gelangte, in der sich verschiedene Reiter zum
Aufsitzen bereitmachten.
Deirdre
blieb an dem Zaungeländer stehen und sah dem Treiben zu.
Die
sattellosen Pferde scharrten nervös. Sie vernahm scherzhaftes Gespött und
Gelächter. Drüben zu ihrer Rechten bemerkte sie eine Gruppe elegant gekleideter
Burschen, die sich um einen dunkelhaarigen jungen Mann drängte. Er war einwenig
größer als die Übrigen, und als sie sein Gesicht erblickte, bemerkte sie, dass
es ungewöhnlich feine Züge hatte. Die ruhige Miene ließ vermuten, dass er mit
seinen Gedanken von dem, was er gerade tat, ein wenig entrückt war. Er sieht
eher einem Druiden von hoher Geburt, dachte sie, als einem jungen Wettkämpfer
gleich. Sie fragte sich, wer er wohl war. Dann trennte sich die Gruppe, und
Deirdre wurde klar, dass er gleich zu einem Rennen starten würde, denn nun trug
er nur noch ein Lendentuch.
Deirdre
starrte ihn wie gebannt an. Ihr schien, als hätte sie in ihrem Leben noch nie
etwas so Schönes gesehen. So schlank, so blass und doch so vollkommen gebaut:
der Körper eines Athleten. An ihm war, soweit sie sehen konnte, kein einziger
Makel. Fasziniert verfolgte sie, wie er sich auf den Rücken des Pferdes schwang
und geradezu schwerelos auf die Rennbahn hinausritt.
»Wer
ist das?«, fragte sie einen Mann, der in der Nähe stand.
»Das
ist Conall, Sohn des Morna«, antwortete er, und als er sah, dass sie nicht ganz
begriff, fügte er deutlicher hinzu: »Der Neffe des Hochkönigs in Person.«
»Oh«,
entfuhr es Deirdre.
Sie
sah sich mehrere Rennen an. Die Männer ritten ohne Sattel. Die Pferde waren,
obwohl klein, sehr flink. Im ersten Rennen sah sie Conall direkt hinter dem
Anführer ins Ziel gelangen; im zweiten war er der Sieger. In den beiden
folgenden ritt er nicht mit, aber inzwischen versammelten sich immer mehr
Zuschauer am Rand der Rennbahn, denn nun sollte eine der Hauptattraktionen des
Tages beginnen.
Die
Wagenrennen. Deirdre konnte bereits sehen, dass der König von Leinster auf dem
kleinen Hügel an der Rennbahn eingetroffen war, von dessen erhöhter Warte aus
er den Vorsitz führen würde. Das Wagenrennen stellte die höchste und adligste
unter den Kriegskünsten dar. Die Streitwagen waren robust und dennoch leicht
gebaute zweirädrige Fahrzeuge mit einer einzigen Deichsel zwischen zwei
Pferden. Jeder Wagen war mit zwei Männer – dem Krieger und dem Wagenlenker –
besetzt. Sie waren ungeheuer schnell und, in den Händen eines erfahrenen
Lenkers, äußerst wendig. Gegen die disziplinierte Streitmacht der römischen
Legionen konnten sie nichts ausrichten, und so waren sie in den römischen
Provinzen von Britannien und Gallien längst nicht mehr in Gebrauch; aber hier,
auf der westlichen Insel, wo in der Kriegsführung noch die traditionellen
keltischen Regeln galten, wurde die alte Kunst noch weiter praktiziert. Deirdre
konnte an die zwanzig Streitwagen sehen, die sich nun bereitmachten, um in die
Rennbahn einzufahren. Aber zuerst, so schien es, sollte eine Schaufahrt
stattfinden, denn nun wurden zwei Streitwagen in die riesige Grasarena
eingefahren.
»Das
da ist Conall«, erklärte der Mann, mit dem sie vorhin gesprochen hatte, »und
der andere ist sein Freund Finbarr.« Er schmunzelte. »Und nun wirst du was
erleben!«
Conall
und Finbarr waren beide nackt, wie es Krieger nach keltischer Tradition im
Kampf
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