Die Prinzen Von Irland
zu sein hatten. Ihr fiel auf, dass Finbarr sehr kräftig gebaut, aber
etwas kleiner als Conall war, obwohl er eine muskulösere Brust hatte, auf der
sie hellbraune Haarkräusel erkennen konnte. Jeder der beiden stand direkt
hinter seinem Wagenlenker und trug einen runden Schild, verziert mit polierter
Bronze, die in der Sonne funkelte. Die Streitwagen begaben sich gemeinsam in
die Mitte der Arena, dann trennten sie sich und fuhren jeweils zum
entgegengesetzten Ende der Bahn.
Was
nun folgte, war atemberaubend. Deirdre hatte schon früher Wagenlenker bei ihrer
Arbeit gesehen, aber noch nie ein Schauspiel wie dieses. In halsbrecherischer
Fahrt rasten sie aufeinander zu, wobei sich ihre Speichenräder, jedes nur noch
eine verschwommene Scheibe, beinahe gestreift hätten, als sie einander
passierten. Dann schossen sie bis zum Ende der Bahn weiter und machten wieder
kehrt. Diesmal hatten beide Kämpfer einen großen Wurfspeer ergriffen. Als sie
wieder aufeinander zurasten, schleuderten sie mit großer Kunstfertigkeit ihre
Speere, wobei Finbarr den seinen nur einen winzigen Moment früher als Conall
warf. Als die beiden Speere sich in der Luft begegneten, hielt die Menge
plötzlich den Atem an, und dies aus gutem Grund – denn jeder hatte tödlich
sicher gezielt. Conalls Wagen fuhr gegen einen kleinen Grasbuckel im Rasen und
wurde just einen Augenblick lang gebremst, so dass der Speer, den Finbarr
geschleudert hatte, mit Sicherheit getroffen und vermutlich den Wagenlenker
durchbohrt hätte, wenn Conall nicht blitzschnell hinübergegriffen und das
Geschoss mit seinem Schild abgelenkt hätte. Conall hatte ebenfalls so perfekt
gezielt, dass sein Wurfspeer genau in Finbarrs Schild einschlug und Finbarr die
scharfe Spitze nur noch zur Seite abschmettern konnte. Begeisterter Jubel
erscholl aus der Menge. Dies war Kriegsführung als hohe Kunst.
Die
beiden Männer nahmen ihre glänzenden Schwerter zur Hand, während die
Streitwagen ein weiteres Mal umkehrten. Jetzt waren jedoch die Wagenlenker an
der Reihe, ihr Können zu zeigen. Diesmal stürmten sie nicht direkt aufeinander
zu, sondern begannen ein raffiniertes Manöver von Verfolgung und Ausweichen,
fuhren, die gesamte Fläche nutzend, Schwindel erregende Kreise und
Zickzacklinien und stießen, bald Jäger, bald selbst Gejagte, wie Raubvögel
aufeinander herab. Jedes Mal wenn sie einander nahe kamen und ein Stück weit
nebeneinanderher galoppierten, schlugen und parierten die beiden Krieger mit
Schwert und Schild. Unmöglich festzustellen, ob sie diese Kämpfe vorab
einstudiert hatten. Wenn die Klingen aufblitzten und hell metallisch klirrten,
glaubte Deirdre, sie würde im nächsten Moment aus der blassen Haut eines der
Männer Blut aufspritzen sehen. Sie stellte fest, dass ihr fast der Atem stockte
und sie vor Nervosität am ganzen Leib zitterte.
Endlich
war es vorbei. Die zwei Streitwagen, Conalls an der Spitze, fuhren zum Triumph
eine Runde auf dem Feld, um den Applaus in Empfang zu nehmen, und dabei kamen
sie auch an Deirdre vorüber. Conall war nach vorn über die Schutzwand des
Wagens gesprungen und balancierte auf der Deichsel zwischen den Pferden, die
schweißgebadet waren. Conall keuchte noch, seine Brust bebte nach der
Anstrengung, aber er genoss den Beifall der Menge. Er ließ seinen Blick über
die Gesichter der Zuschauer schweifen; und als sein Streitwagen näher
heranfuhr, blieb sein Blick auf ihr haften – Deirdre konnte ihm nur noch
gebannt in die Augen starren.
Denn
sie war überrascht, vielleicht auch ein wenig enttäuscht. Sein Blick war
stechend, und doch wirkte dieser Mann nicht zufrieden. Es war, als weile ein
Teil von ihm in weiter Ferne – als sei er selbst, obwohl er die Menge mit einem
Spektakel beglückte, einsam und abseits von alledem geblieben, während er
geschickt zwischen Leben und Tod balancierte.
Warum
schaute er ausgerechnet sie so lange an? Es war so, als würde er mit ihr
sprechen wollen. Sein Kopf drehte sich langsam zu ihr um, als der Wagen an ihr
vorüberrollte. Sie blickte ihm noch lange nach.
Dann
wandte sie sich um und erblickte ihren Vater. Er strahlte, winkte ihr zu und
gab ihr zu verstehen, dass sie näher treten solle.
* * *
Die Reise nach Carmun
war Finbarrs Idee gewesen. Er hatte gehofft, die Stimmung seines Freundes damit
ein wenig aufheitern zu können. Auch hatte er die Anweisungen des Hochkönigs
nicht vergessen.
Als
sie am vergangenen Abend angekommen waren und dem König von Leinster ihre
Aufwartung gemacht
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