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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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gesehen.« Dieselben Augen wie vorhin, aber
statt jenes einsamen Blicks strahlte darin nun ein ganz anderes, lebendiges
Licht, das Neugierde verriet. All ihrer Entschlossenheit zum Trotz, ihm die
kalte Schulter zu zeigen, konnte sie spüren, wie sie zu erröten begann.
    Er
erkundigte sich, wer ihr Vater war und woher sie stammte. Dass er Ath Cliath
kannte, war deutlich zu sehen, aber obwohl er »oh, natürlich« sagte, als sie
Fergus als den Häuptling des Ortes erwähnte, hatte sie den Verdacht, dass
Conall noch nie von ihm gehört hatte. Aber er stellte ihr weitere Fragen,
wechselte einige Worte über die Wagenrennen mit ihr, so dass er der
Unterhaltung mit ihr mehr Zeit widmete als irgendeiner anderen Dame.
    Finbarr
erschien und flüsterte ihm zu, dass der König von Leinster nach ihm fragte. Da
blickte er ihr gedankenversunken in die Augen und lächelte.
    »Vielleicht
sehen wir uns wieder.« Meinte er das ernst, oder war es nur ein Ausdruck von
Höflichkeit? Vermutlich Letzteres.
    Schließlich
verkehrte ihr Vater nicht in den Kreisen des Hochkönigs. Der Umstand, dass er
in Wirklichkeit nicht aufrichtig sein konnte, empörte sie ein wenig, und fast
wäre sie mit den Worten herausgeplatzt: »Wunderbar, Ihr wisst ja, wo Ihr mich
findet!« Aber zum Glück hütete sie ihre Zunge und wäre bei dem Gedanken, was
für einen ungesitteten und vorlauten Eindruck sie mit einer solchen Bemerkung
hinterlassen hätte, beinahe von Neuem errötet.
    So
trennten sie sich, und sie kehrte zu jener Stelle zurück, wo sie ihren Vater zu
finden glaubte. Soeben hatte ein weiteres Wagenrennen begonnen. Sie fragte sich,
ob sie ihrem Vater und ihren Brüdern etwas von ihrer Begegnung mit dem jungen
Prinzen erzählen sollte, aber sie entschied, dass es besser war, es nicht zu
tun. Sie würden sie nur auf den Arm nehmen, die wildesten Geschichten über sie
verbreiten oder sie auf andere Weise in Verlegenheit bringen.

2
    Es war Herbst, und die Blätter fielen wie
Töne einer sanft gezupften Harfe zu Boden. Später Nachmittag, die Sonne begann
allmählich zu sinken; golden leuchteten die Farne, und das purpurrote
Heidekraut auf den Hügeln sah aus, als wäre es im Schmelzen begriffen.
    Die
Sommerquartiere des Hochkönigs waren auf einem niedrigen, flachen Hügel mit
Aussicht auf das ringsum sich dehnende Land errichtet. Auf dem Gipfel des
Hügels verstreut lagen Einfriedungen, Viehpferche und die mit Palisaden
umgebenen Lager des königlichen Gefolges. Das Lager bot einen beeindruckenden
Anblick, denn das Gefolge des Hochkönigs war groß. Druiden, Hüter der alten
Brehon–Gesetze der Insel, Harfenisten, Barden, Mundschenke – von den königlichen
Kriegergarden ganz zu schweigen: Diese Ämter wurden hoch geschätzt und oftmals
innerhalb einer Familie vererbt. Am Südrand des Hügels befand sich die größte
Einfriedung, und in ihrer Mitte stand eine große kreisrunde Halle mit Wänden
aus Balken und Flechtwerk und einem hohen, mit Stroh bedeckten Dach. Ein großes
Tor bildete den Eingang zu dieser königlichen Halle, in deren Mitte auf einem
frei stehenden Pfahl ein in Stein gehauener Kopf mit drei Gesichtern thronte,
die in verschiedene Richtungen blickten, als sollten sie die dort Versammelten
daran erinnern, dass der Hochkönig wie die Götter in der Lage war, alles
zugleich zu sehen. Auf der Westseite der Halle befand sich eine erhöhte
Galerie, auf der der Hochkönig und seine Königin am späten Nachmittag zu sitzen
pflegten, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
    In
weniger als einem Monat würde das magische Samhain–Fest stattfinden. Dann würde
das überschüssige Vieh geschlachtet und der Rest in das Ödland hinausgetrieben
und später in Pferche gebracht werden, während der Hochkönig und seine Mannen
zu ihren Winterrundreisen aufbrachen. Bis dahin herrschte jedoch eine geruhsame
und friedliche Zeit. Die Ernte war eingefahren, das Wetter war noch warm. Der
Hochkönig hätte eigentlich zufrieden sein können.
    Seine
dunkelblauen Augen blickten unter buschigen Brauen hervor. Obwohl sein Gesicht
durch ein Geflecht winziger Äderchen gerötet war und sein stämmiger, einst
stark von Sehnen gespannter Körper zu verfetten begann, strotzte er immer noch
von Energie. Seine Gemahlin, eine groß gewachsene Blonde, hüllte sich bereits
seit einiger Zeit in Schweigen. Endlich, nachdem die langsam sinkende Sonne
gerade hinter einer Wolke verschwunden war, löste sich ihre Zunge.
    »Es
ist schon zwei Monate her.«
    Er
antwortete

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