Die Prinzen Von Irland
sie sich ganz ruhig vor seinen Augen aus und
stand nackt vor ihm.
Ihm stockte der Atem.
Ihr Körper war
weiß und schlank, die Brüste voller, als er erwartet hatte – sie war die
schönste Frau, dachte er, die er je gesehen hatte.
Zwei Tage später
sahen sie sich wieder. Dieses Mal ließ es sich nicht vermeiden, den Ritter, der
mit ihm die Unterkunftteilte, ins Vertrauen zu ziehen.
Belustigt und mit einem gratulierenden Klaps auf den Rücken versicherte der
Gefährte Peter, dass er bis Einbruch der Dunkelheit verschwinden würde, und auf
sein Wort war Verlass. Bevor sie dieses Mal von ihm ging, hatte Fionnuala mit
ihm verabredet, dass sie am nächsten Abend wiederkäme. Wie es ihr nur gelinge,
ihn in der Stadt zu besuchen, ohne Verdacht zu wecken, hatte er sie gefragt. Es
sei ganz einfach, hatte sie ihm erklärt. Sie habe wieder angefangen, im Hospiz
zu arbeiten, und ihr Weg dorthin führe immer durch die Stadt. »Wenn ich also zu
dir kommen möchte, sage ich im Hospiz, dass ich nach Hause muss; und wenn ich
zu Hause ankomme, sage ich, dass ich gerade vom Hospiz komme. Das merkt
keiner.«
Bald liebten sie sich
leidenschaftlich jeden Tag. Und dann schlug Fionnuala vor: »Ich könnte morgen
die Nacht mit dir verbringen.«
»Wo können wir uns
treffen?«, fragte er.
»Unten am Holzquai
steht ein Lagerhaus.«
Es erwies sich als
ein wunderbarer Ort. Oben auf dem Dachboden türmten sich Wollballen, und an
einem Ende dieses Raums befand sich eine große Flügeltür, die sich zum Wasser
hin öffnete und einen Ausblick nach Osten über den Fluss bis zum Meer bot. Die
Sommernacht war kurz und warm; die Wollballen waren ein herrliches Bett; und
als der Morgen graute, stießen sie die Flügeltüren auf und sahen die Sonne über
der gleißenden Mündung des Liffey aufgehen, während sie sich noch einmal
liebten.
Später, nachdem sie
den mitgebrachten Proviant gegessen hatten, huschte sie zum Westtor, wo man
vermuten würde, sie wäre auf direktem Wege von zu Hause durch die Stadt
gekommen. Peter wartete noch einen Augenblick, und als sich die ersten Leute
auf dem Quai rührten, machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Quartier.
Er hatte gerade die
Fish Shambles erreicht, als er Gilpatricksah. Einen
Augenblick überlegte er, ob er ihm ausweichen könne. Doch Gilpatrick hatte ihn
bereits gesehen. Lächelnd trat er auf ihn zu.
»Guten Morgen, Peter.
Du bist früh auf.« Gilpatrick betrachtete ihn amüsiert. Peter begriff, dass er
nach dieser Nacht wahrscheinlich etwas mitgenommen aussah. Er strich sein Haar
glatt. »Du siehst aus, als hättest du eine harte Nacht gehabt«, sagte Gilpatrick
zwinkernd. »Du solltest besser in die Kirche gehen und eine gute Beichte
ablegen.« Doch hinter dem freundlichen Necken spürte Peter auch einen milden
priesterlichen Tadel.
»Ich konnte nicht
schlafen«, sagte er. »Hast du jemals auf dem Quai gestanden und beobachtet, wie
die Sonne über der Flussmündung aufgeht? Es ist wunderschön.«
Er sah, dass
Gilpatrick ihm nicht glaubte.
»Ich habe gerade
meine Schwester getroffen«, sagte Gilpatrick.
Peter spürte, wie er
blass wurde. Er riss sich zusammen.
»Deine Schwester? Wie
geht es ihr?«
»Es freut mich, sagen
zu können, dass sie hart im Hospiz arbeitet.«
Sah der Priester ihn
nun anders an? Hegte er einen Verdacht? Peter gähnte und schüttelte den Kopf,
um seine Verwirrung zu verbergen. Was sagte Gilpatrick gerade?
»Kennst du eigentlich
Una MacGowan? Das Haus, in dem du wohnst, Peter, gehört ihr.«
»Ach, nein. Nein, ich
kenne sie nicht.«
Doch als er wenig
später in seinem Quartier saß, durchlebte Peter einige unangenehme Momente.
Seine Liebesaffäre mit Fionnuala hatte sich so unerwartet und so aufregend
ergeben, dass er bis jetzt noch nicht viel über die Risiken nachgedacht hatte.
Das Treffen mit Gilpatrick hatte ihn plötzlich aufgerüttelt und sein
Bewusstsein geschärft. Der junge Priester hatte erraten, dass er die Nacht mit
einer Frau verbrachthatte. Auch die Leute im Quartier
wussten es. Er hatte gesehen, wie sie sich Blicke zuwarfen, als er zurückkam.
Das bedeutete, in Kürze wüsste ein Großteil der englischen Truppen Bescheid.
Innerhalb der Armee würde dies natürlich seinem Ruf nur förderlich sein. Doch
es barg auch Gefahren. Die Leute würden fragen, wer das Mädchen sei. Und
vielleicht würden sie es herausfinden.
Bei dem Gedanken
überfiel ihn kalte Panik. Immerhin war Fionnuala die Tochter eines
Kirchenmannes, der Lawrence O’Toole nahe
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