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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hoch gewachsener, mächtiger Mann mit einem breiten Gesicht und einer
Flut schwarzer Locken, die ihm auf die Schultern fielen. Seine dunklen Augen
hatten einen sanften Schimmer, der, wie Gilpatrick gehört hatte, die Frauen
faszinierte.
    »Ich bin seit sechs
Wochen hier«, sprach er zu ihnen. »Doch wie Ihr erkennt, ist unser Standort von
der Stadt aus nicht zu sehen, darum verratet bitte nicht, wo wir sind. Ich kann
jeden Morgen ans Ufer des Liffey hinuntergehen und baden.« Er lächelte. »Wenn
Strongbow es möchte, würde ich mich glücklich schätzen, ein, zwei Jahre hier zu
bleiben.«
    Gilpatrick aß mit
Genuss. Selbst der asketische Erzbischof war bereit, ein, zwei Gläser Wein zu
trinken. Und zu Gilpatricks Entzücken wurden sie von einem
kunstfertigen Harfenspieler unterhalten; und noch besser, ein Barde trug für
sie die alte irische Sage von Cuchulainn dem Krieger vor und wie er zu seinem
Namen kam. Die Hand voll Männer war in heiterer Stimmung, als sie anfingen, das
Problem mit den Engländern zu erörtern.
    »Ich habe ein neues
Angebot«, eröffnete der Erzbischof, »und es wird Euch überraschen. Strongbow
will noch immer Leinster haben. Aber«, er stockte, »aber er ist gewillt, es auf
die ureigene irische Weise zu regieren. Er wird Euch einen Eid schwören, Euch
Geiseln bieten, so dass Ihr sein Oberherr wäret.« Er sah den Hochkönig sehr
genau an. »Ich weiß, Ihr glaubtet, er hätte die Absicht, die ganze Insel zu
erobern, aber dem ist nicht so. Er ist bereit, Leinster aus Eurer Hand
entgegenzunehmen und Euch den Respekt zu zollen, der Euch gebührt. Ich denke,
dieses Angebot sollte ernst genommen werden.«
    »Er würde Leinster
regieren, wie es Diarmait getan hat?«
    »Ja.«
    Der Hochkönig seufzte,
dann streckte er seine langen Arme aus. »Aber ist nicht gerade dies das
Problem, Lorcan?« Sie sprachen Irisch, und er nannte den Erzbischof bei seinem
irischen Namen. »Ihr hättet Diarmait nicht über den Weg getraut. Der Mann war
fähig, den Eid zu brechen und dafür seinen eigenen Sohn zu opfern. Meint Ihr,
Strongbow ist einen Deut besser?«
    »Zwar ist er nicht
mein Freund«, gestand O’Toole offen, »aber er ist ein Ehrenmann.«
    »Wenn das stimmt,
Lorcan, dann erkläre mir eins: Wie ist es möglich, dass dieser Ehrenmann bereit
ist, mir als Oberherrn einen Eid zu schwören, wenn er bereits König Heinrich von
England einen Eid geschworen hat?«
    Der Erzbischof sah
verblüfft aus. Er warf Gilpatrick einen Blick zu.
    »Ich denke«, hob
Gilpatrick an, »ich kann Euch das erklären. Seht, genau genommen glaube ich
nicht, dass Strongbow Heinrich II. für seine irischen Ländereien Anerkennung gezollt hat. So wäret
Ihr sein Oberherr für Leinster und Heinrich der für seine Landbesitzungen in
England.« Gilpatrick merkte, wie verblüfft seine Verhandlungspartner über diese
Erklärung waren, und fuhr fort: »Dort drüben hat jedes Eckchen Land einen Lord,
und so zollt man für jedes Stück Land, das man besitzt, einem anderen Lord
Anerkennung. Viele große Lords huldigen Heinrich für ihre Ländereien in England
und dem französischen König für ihre Ländereien in Frankreich.«
    »Aber wem gegenüber
sind sie denn loyal?«, fragte der Hochkönig.
    »Das hängt davon ab,
wo sie sich gerade aufhalten.«
    »Lieber Gott, was
sind denn diese Engländer für Leute? Kein Wunder, dass Diarmait sie mochte.«
    »Ein Eid ist für sie
nicht sosehr eine persönliche Angelegenheit«, sagte Gilpatrick, »sondern eher
eine Rechtsform. Ich glaube, man könnte sagen, sie haben größeres Interesse am
Land als an den Leuten.«
    »Gott vergebe ihnen«,
murmelte der Erzbischof, während er und der O’Connor–König sich entsetzte
Blicke zuwarfen.
    »Glaubt Ihr, man
könnte Strongbow, wenn er Leinster hätte und die Möglichkeit, alle seine
bewaffneten Männer zu entlohnen sowie alle anderen, die er sich vielleicht noch
dazuholt, das Vertrauen entgegenbringen, dass er nicht die anderen irischen
Provinzen angreift?«, fragte der Hochkönig. Und ehe der fromme Erzbischof
überhaupt eine Antwort geben konnte, fuhr er fort: »Wir haben Strongbow sicher
in Dublin eingekesselt, Lorcan. Er kann nichts tun. Lasst ihn dort, bis er
unser Angebot, die Hafenstädte zu behalten, annimmt. Entweder dies oder eine
Hungersnot.«
    * * *
    Für Fionnuala waren
die berauschenden Sommerwochen eine Offenbarung. Bis zu diesem Zeitpunkt war
sie immer nur gelangweilt gewesen: gelangweilt von ihren Eltern, ihren Brüdern,
dem herzensguten

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