Die Prinzen Von Irland
und
wartete.
Die Zeit verstrich.
In der Stille und in dem Nebel wirkte alles ein wenig unwirklich, als wäre der
kleine Hof durch einen merkwürdigen Zauber in eine abgetrennte Welt befördert
worden. Als die Gestalt draußen vor dem Tor erschien, glaubte Peter FitzDavid,
es sei der Ritter. Als sie dort aber wie ein Geist herumschwebte, statt einzutreten,
kam ihm der Gedanke, es sei vielleicht ein Dieb, und während er zu der Bank schaute,
wo sein Schwert lag, machte er sich zum Sprung bereit. Da ihm jedoch klar
wurde, dass er dort, wo er saß, vom Tor aus kaum zu sehen war, blieb er reglos
sitzen. Die Gestalt schwebte noch immer vor dem Tor und schaute offenbar in den
Hof. Schließlich huschte sie hinein. Sie trug eine Kapuze über dem Kopf. Sie
näherte sich der Kohlenpfanne. Erst als sie auf Armeslänge war und er sie hätte
berühren können, erkannte er sie.
Das Mädchen.
Fionnuala. Sie zuckte leicht zusammen, als sie ihn sah, doch mehr auch nicht.
Er bewunderte ihre Selbstbeherrschung. Sie lächelte.
»Ich dachte, ich sehe
mal nach, ob Ihr hier seid.« Anscheinend amüsierte sie sein Erstaunen.
»Gilpatrick hat mir gesagt, wo Ihr untergebracht seid. Bis zu diesem Jahr war
es das Haus meiner Freundin.«
»Aber wie seid Ihr in
die Stadt gekommen?« Er dachte an die Wächter an den Stadttoren.
»Ich bin durch die
Pforte gegangen.« In den großen Stadttoren gab es für gewöhnlich jeweils eine
kleine Pforte, durch die Einzelpersonen eingelassen wurden. »Sie wissen, dass
ich die Tochter des Priesters bin.« Sie schaute sich um. »Seid Ihr allein?« Er
nickte. »Darf ich mich ans Feuer setzen?« Er holteeinen
Stuhl, und sie setzte sich. Sie streifte ihre Kapuze ab, und ihr Haar fiel in
welligen Kaskaden herunter.
»Gilpatrick sagt, Ihr
habt den Alarm gegeben.« Sie blickte in die glühende Kohle. »Jetzt steht also
der Hochkönig vor den Toren Dublins, und Ihr hockt drinnen, und er wartet ab, bis
Ihr Hunger leidet.«
Er schaute sie an und
fragte sich, was sie wollte, warum sie gekommen war und wie es nur möglich war,
dass sie so schön war. Ihre Einschätzung der Lage war wahrscheinlich richtig. Dem
Hochkönig standen die gesamten Erzeugnisse aus Leinster zur Verfügung, womit er
sein Heer monatelang ernähren könnte. Doch auch Dublin hatte ausreichend
Vorräte angelegt. Es könnte eine lange Belagerung werden.
»Vielleicht werden
Euer Bruder und der Erzbischof mit dem Hochkönig einen Frieden aushandeln«,
sagte er.
»Gilpatrick meint,
der Erzbischof wolle ein Blutbad vermeiden«, stimmte sie zu. »Doch der O’Connor–König
traut Strongbow nicht.«
»Weil er Engländer
ist?«
»Nein, darum nicht.«
Sie lachte. »Weil er Diarmaits Schwiegersohn ist.«
Warum war sie hier?
War sie so etwas wie eine Spionin, vielleicht von ihrem Vater geschickt, damit
sie etwas über Strongbows Verteidigung herausfände? Gilpatrick wäre dazu besser
geeignet, aber vielleicht lehnte er als Vermittler diese Rolle ab. Peter sagte
sich, so schön und fromm sie auch war, es wäre angebracht, Fionnuala aufmerksam
im Auge zu behalten. Während sie über dieses und jenes sprachen, streckte sie
ihre schmalen blassen Arme und Hände dem Feuer entgegen, und er antwortete,
wenn sie ihn etwas fragte, und beobachtete sie.
Nach einer Weile
stand sie auf.
»Ich muss nun nach
Hause gehen.«
»Soll ich Euch bis
zum Stadttor begleiten?«
»Nein. Das ist nicht
nötig.« Sie warf ihm kurz einen Blick zu. »Würde es Euch gefallen, wenn ich
Euch wieder einmal besuche?«
»Ich…« Er starrte sie
an. »Ja, natürlich«, stammelte er.
»Gut.« Sie schaute
zum Tor an der Straße. Es war niemand da. »Sagt mir, Peter FitzDavid, wollt Ihr
mich küssen, bevor ich gehe?«
Er blickte sie an.
Die sittsame Tochter des Priesters, die irische Prinzessin, bat ihn um einen
Kuss. Er stutzte. Höflich küsste er sie auf die Wange.
»Das war nicht das,
was ich gemeint habe«, sagte sie.
Was hatte all das zu
bedeuten? »Sollt Ihr denn nicht demnächst verheiratet werden?« Dann sagte er
sich, er solle nicht so dumm sein. Wenn sie schon um einen richtigen Kuss bat, welcher
Idiot würde ihr das verweigern? Er trat näher. Ihre Lippen berührten sich.
* * *
Una war überrascht, als sie Fionnuala am
nächsten Tag am Eingang des Hospizes traf, und sie staunte noch mehr, als Fionnuala
ihr sagte, warum sie gekommen sei.
»Willst du hier
wieder arbeiten?«
»Ich habe zu Hause
nichts zu tun, Una. Ich mag nicht nur nutzlos herumsitzen. Meine Eltern
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