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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dort war einerseits
diskret und andererseits mächtig? Wem könnte er trauen? Er war sich nicht
sicher.
    Als Tom Tidy die
Ladeklappe fertig gebaut hatte, legte er das Werkzeug beiseite, verließ sein
Haus und ging die Straße entlang. Er musste sich Rat holen. Eine Brise vom
Hafen brachte einen scharfen salzigen Geruch mit sich, der ihn belebte.
    Das Haus, das er
schließlich betrat, erinnerte sehr an eine kleine Burg. Das Haupthaus, das
nicht sehr vieler größer war als die benachbarten, mit Stroh gedeckten
Giebelhäuser, war drei Stockwerke hoch, rechteckig und aus Stein. Es gehörte dem
bekannten Dubliner Kaufmann Doyle, der es als Warenlager nutzte. Und den Mann,
der darin wohnte und für Doyle arbeitete, war der einzige in Dalkey, dem Tom
vertrauen konnte.
    Tom und Michael
MacGowan waren Freunde, seit Tom nach Dalkey gezogen war. Trotz des
Altersunterschieds hatten sie vieles gemeinsam. Beide waren Dubliner. MacGowans
Bruder war ein hoch geachteter Handwerker in der Stadt. Er selbst war von Doyle
als Lehrjunge eingestellt worden, und nun als Mann in den Zwanzigern führte er
für seinen Herrnseit fast fünf Jahren das Lager in
Dalkey. Das Mädchen, dem er in Dublin den Hof machte, freute sich darauf,
später nach Dalkey umzuziehen, wenn sie wirklich heirateten, so dass er wahrscheinlich
lange Zeit hier bleiben würde. Tom Tidy hielt ihn für einen beständigen jungen
Mann mit einem klugen Kopf auf den Schultern. Auf seine Verschwiegenheit konnte
er vertrauen.
    Er fand MacGowan im
Hof – ein schmächtiger, dunkler Mann mit wildem schwarzem Haar und einem
Gesicht, das ein bisschen spöttisch in die Welt zu blicken schien. Er begrüßte
Tom und führte ihn zu den Bänken unter dem Apfelbaum. Er hörte aufmerksam zu,
während Tom ihm sein Dilemma schilderte.
    Wenn Michael MacGowan
nachdachte, zog er immer eine merkwürdige Grimasse. Er warf den Kopf in den
Nacken, schloss ein Auge und riss das andere unter der gehobenen Augenbraue
sehr weit auf. Als er es auch diesmal tat und in den Himmel starrte, schien es
Tom, MacGowans geöffnetes Auge sei so groß geworden wie einer der reifenden
Äpfel am Baum. Als Tom geendet hatte, war sein Freund still, aber nur einen Moment.
    »Willst du einen Rat,
was du tun solltest?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, du
solltest gar nichts tun. Erzähle niemandem davon. Vergiss, was du gehört hast.
Es wäre zu gefährlich, Tom Tidy.«
    »Ich hatte gedacht,
dass vielleicht Doyle… Ich dachte, du würdest vorschlagen, wir sollten es ihm
sagen.« Der bedeutende Kaufmann, dem das Haus gehörte, war nicht nur einer der
bekanntesten Stadtväter, sondern ein Mann von ehrenwertem Ruf, der beste
Beziehungen zu jenem Justiziar hatte, der in Irland der verlängerte Arm des
englischen Königs war.
    »Es heißt, er könne
Geheimnisse für sich behalten und sei ebenso geschickt wie mächtig«, sagte Tom.
    »Du kennst ihn
nicht.« MacGowan schüttelte den Kopf. »Doyle ist ein harter Mann. Weißt du, was
geschieht, wenn wir es ihm erzählen? Er wird dafür sorgen, dass O’Byrne und seine
Freunde in eine Falle gehen, in der sie alle umkommen. Und er wird stolz darauf
sein. Er wird jedem in Dublin erzählen, dass dies sein Verdienst sei. Und was
glaubst du, geschieht dann mit mir hier draußen in Dalkey? Die O’Byrnes sind
ein weitreichender Clan, Tom. Sie werden kommen und mich holen. Und wenn sie
erst einmal herausbekommen haben, was geschehen ist, dann bringen sie auch dich
um. Darauf kannst du dich verlassen. Sogar Doyle könnte es nicht verhindern,
wenn er es versuchte – was er wahrscheinlich gar nicht täte«, sagte er finster.
    »Du meinst, ich solle
nichts unternehmen, um die Walshs und ihre Leute in Carrickmines zu retten?«
    »Überlass es ihren
Burgmauern, sie zu schützen.«
    Tom nickte traurig.
MacGowan hatte harte Wahrheiten gesagt, aber er verstand sie. Er stand auf und
wollte gehen.
    »Tom.« MacGowans
Stimme klang ängstlich. Sein Auge starrte nun wie das eines Tieres, das in eine
Falle gegangen war und Schmerzen litt.
    »Ja?«
    »Was immer du auch
tust, Tom, gehe nicht zu Doyle. Versprichst du mir das?«
    Tidy nickte und ging.
Doch als MacGowan ihn Weggehen sah, dachte er: Wenn ich dich, Tom Tidy, und
dein Pflichtbewusstsein richtig kenne, dann wirst du jemanden finden, dem du es
erzählen kannst.
    * * *
    Es bestand kein Zweifel an den guten
Absichten des Mannes. Harold hatte Tom Tidy mit gewisser Bewunderung angesehen,
als er vor seinem Haus mit einer Wagenladung auftauchte und darum

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