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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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mir wegnehmt?«, hatte
John Walsh von der Mauer heruntergerufen. Doch statt einer Antwort war ihm nur
eine Salve von Geschossen entgegengeflogen. Die Belagerung hatte mehrere Tage
angedauert, bis der Stellvertreter des englischen Königs, der Graf von Ormond,
mit einem Rittertrupp aus Dublin angerückt war und die Angreifer in die Flucht
geschlagen hatte. »Ich glaube, O’Byrne spielt ein Spiel«, hatte Walsh zu seiner
Frau gesagt. »Er sorgt für Unruhe, um auszuprobieren, wie viel er vom Grafen
von Ormond erpressen kann.« Und als O’Byrne einige Monate später mit dem Grafen
zu einer Einigung gelangt war und die bemerkenswerte Neuigkeit sich herumsprach
– »Dieser wilde Mann aus den Bergen ist doch tatsächlich in den Ritterstand
erhoben worden« –, hatte Walsh gelacht, bis ihm die Tränen rannen. Dennoch
wurden die Mauern wieder verstärkt und von Zeit zu Zeit Kavallerietruppen
stationiert. Danach war es fast zehn Jahre lang ruhig geblieben. Doch die
tiefer liegende Wahrheit hatte nach wie vor Bestand: Die Felder südlich von
Dublin waren sicher, da die Burg sie beschützte; und die Burg war da, weil die
Engländer in Dublin regierten.
    Walsh hatte kürzlich
einem seiner Cousins gegenüber unterstrichen: »Der englische König gab uns
unser Land und unsere Position. Er kann sie uns auch wieder wegnehmen. Und du
kannst annehmen, dass die O’Byrnes und O’Tooles sie uns auch nicht nur einen
Augenblick überließen, wenn die englische Macht nicht mehr da wäre.«
    Ja, dachte John
Walsh, das war es, was es für ihn bedeutete, Engländer zu sein.
    * * *
    Also, was zum Teufel,
tat dieses Mädchen da? Sie schlich auffällig nahe an dem großen Kaninchengehege
herum, das John Walsh gebaut hatte und das ihm fortwährend Fleisch und Fell lieferte.
Hatte das Mädchen etwa die Absicht, Kaninchen zu stehlen?
    Natürlich wusste er,
wer sie war. Sie war die Tochter seiner schönen dunkelhaarigen Cousine oben aus
den Bergen. Seine Cousine hatte vor einigen Jahren einen O’Byrne geheiratet. Dieses
junge Mädchen war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Er lächelte still vor
sich hin. Sollte sie wirklich ein Kaninchen stehlen, würde er sicherlich so
tun, als hätte er nichts bemerkt. Schon vor einigen Monaten hatte er sie auf seinem
Land herumschleichen sehen; und kurz darauf hatte er dieses Vieh verloren. Das
war eine ernstere Angelegenheit.
    Doch dann kam ihm ein
anderer Gedanke, und er runzelte die Stirn. Kürzlich hatte es Schwierigkeiten
unten in Munster gegeben, und die Dubliner Obrigkeit war dermaßen beunruhigt
gewesen, dass sie Truppen entsandte. Die O’Byrnes hatten ein neues Oberhaupt,
und als der sah, dass die englischen Streitkräfte anderweitig beschäftigt
waren, hatte er die Gelegenheit ausgenutzt, um in mehrere kleine Forts unten an
der Küste einzufallen. Es war frech, doch Walsh war der Meinung, das irische
Oberhaupt könne womöglich damit Erfolg haben. Zumindest im Augenblick. War dies
ein Vorspiel für einen weiteren Angriff auf Carrickmines? Nach Walshs
Einschätzung wäre dies unklug. Die Menschen in Dublin waren bereits nervös. Vor
einigen Wochen war schon eine Reiterschwadron nach Dalkey geschickt worden und
hatte dort ein Lager aufgeschlagen für den Fall, dass die Feinde versuchen würden,
die Küste hochzukommen. Beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten aus den
Bergen würden weitere Schwadronen nach Carrickmines entsandt werden – ganz
abgesehen davon, dass der Ort nun zu stark war, als dass O’Byrne ohne weiteres
eindringen könnte. Aber dennoch, man wusstenie. War es
möglich, dass seine kleine Cousine aus ernsteren Gründen um das Kaninchengehege
schlich? Hielt sie Ausschau nach Truppen? Überprüfte sie den Zustand der Mauern
und des Burgtors? Wenn dem so wäre, hätte sie sich nicht gut getarnt.
    Er suchte mit den
Augen die Hänge ab. Standen dort oben bereits Truppen und warteten nur darauf,
hinunterzustürmen, sobald das junge Mädchen zurückrannte oder ein Zeichen gab?
Er konnte nichts erkennen, was darauf hindeutete Das Mädchen ging nun fort.
    Der Falke auf seinem
Handgelenk rührte sich wieder unruhig. Mit einer einzigen Handbewegung gab er
ihn frei und sah zu, wie er herrlich und lauernd in den Sommerhimmel stieg.
    * * *
    Tom Tidy war auf dem Weg zur Kirche, als er
an dem Mädchen mit dem langen dunklen Haar vorbeiging. Er hatte sie nie zuvor
gesehen.
    Als Tom Tidy noch im
südlichen Vorort von Dublin gelebt hatte, war er jeden Tag in die Kirche
gegangen. Nachdem seine

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