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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hinten im Garten lagerten. Zwei Männer standen
an der Küste immer auf Wachposten, um Ausschau zu halten, ob sich die O’Byrnes
näherten oder ein Schiff, auf dem sie sein könnten.
    Tom betrat die Kirche
und ging nach der Kniebeugung in Richtung Altar. Ein bisschen seitlich versetzt
stand hinter einer hölzernen Wand ein Betstuhl, der Platz zum ungestörten Beten
bot. Hier sank Tom auf die Knie und verharrte einige Minuten fern der Welt im
Gebet – so dass er kaum wahrnahm, wie sich die Kirchentür öffnete. Er schaute
auch nicht auf und blieb, wo er war. Kurz danach hörte er weiche Lederschuhe
leise über den Boden schlurfen. Er glaubte, es seien zwei Leute an der Tür,
aber wegen der Holzwand konnte er sie nicht sehen und sie ihn vermutlich ebenso
wenig. Dann hörte er eine Frauenstimme.
    »Ich habe dich unten
an der Küste gesucht.«
    »Hast du die
Wachposten gesehen?« Dies war die Stimme eines Mannes.
    »Na klar.« Beide
sprachen Irisch, aber Tom Tidy verstand sie dennoch. Sie hatten wohl keine
Ahnung, dass sie belauscht wurden.
    »Hast du eine
Botschaft von O’Byrne für mich?«
    »Ja. Er kommt nicht
nach Dalkey.« Das war wieder die Stimme des Mädchens.
    »Ah, ich verstehe.
Und wenn nicht Dalkey, wohin dann?«
    »Carrickmines.«
    »Wann?«
    »In einer Woche ist
Neumond. Dann ist es so weit. Im Dunkeln. Gegen Mitternacht.«
    »Wir werden bereit
sein. Sag ihm das.«
    Er hörte wieder die
Schritte, dann wurde die Kirchentür geöffnet und schloss sich wieder.
    Tom verhielt sich
ganz still. Kaum hatte er den Namen O’Byrne vernommen, war ihm die kalte Angst
ausgebrochen. Man konnte nie wissen, was diese Leute im Schilde führten. Und
man wollte es gar nicht wissen. Leute, die zu viel gehört hatten, verschwanden
plötzlich. Vor zehn Jahren, erinnerte er sich, hatte ein Mann aus Dalkey etwas
über Scherereien aufgeschnappt, die sich zusammenbrauen
würden, und daraufhin die Amtsleute verständigt. Eine Woche später wurde er aus
dem Meer gefischt – ohne Kopf.
    Als er die Stimmen
gehört hatte, hätte Tom Tidy sich am liebsten in Luft aufgelöst. Auch nachdem
die Tür geschlossen und in der Kirche wieder Stille eingekehrt war, zitterte er
noch. Er blieb noch einen Moment knien und lauschte.
    Schließlich lugte er
vorsichtig hinter der Holzwand vor. Die Kirche war leer. Er ging zur Tür.
Langsam öffnete er sie. Niemand in Sicht. Er trat hinaus. Sein Blick suchte
nach den beiden, die er zufällig belauscht hatte. Sie waren offensichtlich
verschwunden. Sie waren nicht auf dem Kirchhof; auch als er auf die Straße kam,
sah er sie nicht. Er ging zurück und schloss die Kirchentür ab; dann machte er
sich auf den Heimweg.
    Er war auf der Hälfte
des Weges, als er auf dem Pfad, der über das öffentliche Gemeindeland nach
Süden führte, das Mädchen erblickte; ihr langes dunkles Haar wehte im Wind, und
sie rannte wie ein Reh. Das war sie bestimmt, die Überbringerin der Botschaft,
auf ihrem Rückweg zu den O’Byrnes. Für einen Moment spürte er den Impuls, ihr
hinterherzurennen, merkte aber, dass es sinnlos war. Er schaute sich nach ihrem
Kompagnon um, doch da war keine Spur von ihm. Sicher war es ein Mann aus
Dalkey. Aber wer? Stand der Mann genau in diesem Augenblick in einem der Häuser
und beobachtete ihn?
    Langsam und bedächtig
schritt Tom die Straße entlang. Zu Hause versorgte er seine sechs Zugpferde.
Nachdem er sie gefüttert und für die Nacht in den Stall gesperrt hatte, ging er
in sein Haus, nahm die Fleischpastete aus der Speisekammer, schnitt ein großes
Stück ab und legte es auf einen Holzteller, der auf dem Tisch stand. Er goss
sich Ale aus einem Krug in einem Keramikbecher; dann setzte er sich hin und aß;
und dachte nach.
    Am nächsten Morgen
stand Tom Tidy bei Morgengrauen auf und arbeitete im Hof neben der Scheune an
einer neuen Ladeklappe für die Fischkarre.
    Tom Tidy war ein
loyaler Mann, der seine Pflichten kannte. Er musste die sonderbaren
Ankündigungen, die ihm zu Ohren gekommen waren, weitergeben. Aber an wen?
Eigentlich an den Dienst habenden Offizier der Schwadron, doch der wohnte zu
nah an seinem Zuhause. Wenn man die Spur zu ihm zurückverfolgen könnte, wäre er
seines Lebens nicht mehr sicher. Da gab es den »bailiff«, den Verwalter des erzbischöflichen
Landguts, doch Tom hielt ihn für zu schwatzhaft. Vertraute er sich dem
»bailiff« an, wüsste es über kurz oder lang die ganze Gegend. Die klügste
Lösung wäre, dachte er, mit jemandem in Dublin zu sprechen. Aber wer

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