Die Prinzen Von Irland
fortwährende Landgewinnung auf beiden Uferseiten hier in Dublin auf die
Hälfte seiner früheren Breite geschrumpft. Eine neue Steinmauer erstreckte sich
vom Wood Quay bis zur Brücke, einhundertfünfzig Meter gegenüber vom alten
Schutzwall– Außerhalb der Stadtmauern waren vereinzelte Vorstädte entstanden,
vor allem an der Straße nach Süden, so dass, wenn man Oxmanstown auf der
anderen Seite des Flusses dazuzählte, beinahe drei Mal so viel Menschen in den
Vorstädten lebten wie in Dublin selbst. Pfarrkirchen und Klostergebäude schmückten die Vorstädte. Um eine angemessene
Wasserversorgung zu garantieren, hatte man einen der südlichen Flüsse
umgeleitet, so dass durch Kanäle und über Aquädukte immer frisches Wasser in
die aufstrebende Stadt floss.
Nur wenige Männer
hatten die Veränderungen geschickter zu ihrem Vorteil ausgenutzt als Doyle.
Sogar der »schwarze Tod« hatte ihm in die Hände gearbeitet; zwei seiner
Geschäftskonkurrenten waren gestorben, und es war ihm gelungen, sowohl ihre
Handelshäuser zu übernehmen als auch ihren gesamten Besitz zu einem
vernünftigen Preis aufzukaufen. Zwanzig Jahre nach der schrecklichen Seuche war
der Handel in Dublin fast wieder auf dem alten Stand. Es gingen keine Schiffe
mehr mit Gefangenen aus diversen Kriegen vor Anker, und Überfälle an der Küste
gehörten der Vergangenheit an, so dass Dublins alter Sklavenmarkt eingestellt
wurde. Irland hatte jedoch viele Waren nach England, Frankreich und Spanien zu
exportieren.
Das größte Exportgut
aus den englischen Gebieten war seit vielen Generationen Wolle. Der Handel
wurde durch eine begrenzte Anzahl von Häfen, bekannt als Staple Ports, reguliert, wo
Zollabgaben erhoben wurden. Dublin war einer davon. »Wir haben nie Schafe mit
der feinsten Wolle gezüchtet, wie sie die besten englischen Herden haben«,
räumte Doyle bereitwillig ein. »Aber es gibt auch einen Markt für grobe Wolle.«
Riesige Mengen von Häuten von den großen Viehherden der Insel und Felle von
ihren Waldtieren wurden an den Dubliner Quais verladen. Der Fischfang aus der Irischen
See war enorm. Ständig wurde frischer oder gesalzener Fisch übers Meer
gebracht. Auch Holz aus Irlands endlosen Wäldern wurde nach England verschifft.
Das Bauholz für Dächer einiger der größten Kathedralen Englands, wie zum
Beispiel in Salisbury, stammte von irischen Eichen.
Doyle mischte bei all
diesen Verschiffungen mit. Aber vorrangig interessierte ihn der Import. Die
rundlichen einmastigen Koggen mit ihrem tiefen Bauch
brachten alle Arten von Waren ins Land: Eisen aus Spanien, Salz aus Frankreich,
Keramik aus Bristol und feine Textilien aus Flandern. Italienische Kaufleute
kamen mit Ladungen orientalischer Gewürze für die großen Sommermessen vor dem
Westtor der Stadt. Am besten gefiel ihm jedoch der Handel mit Wein aus
Südwestfrankreich. Hogsheads, große Fässer, mit
rubinrotem Wein aus Bordeaux: Er liebte das Aussehen, die Beschaffenheit und
den Duft der großen dreiundsechzig Gallonen fassenden Fässer, wenn sie von den
Schiffen gehievt wurden; da aber Unmengen Wein verschifft wurden, war er meist
in Tonnen abgefüllt, jede mit dem Inhalt von zweihundertzweiundfünfzig
Gallonen. Der Handel mit Wein hatte Doyle zu einem reichen Mann gemacht.
Am Tag zuvor hatte
der Justiziar, kurz nachdem Harold ihn aufgesucht hatte, Doyle ins Dublin
Castle einberufen. Der Stellvertreter des Königs hatte tatsächlich erst nach
dem Kaufmann gerufen, bevor er den Bürgermeister der Stadt benachrichtigte. Wie
die meisten größeren Städte in England hatte Dublin einen Rat aus
achtundvierzig Mitgliedern, der die etwa siebentausend Einwohner regierte. Der
»inner council«, der innere Rat, aus dessen Mitte jedes Jahr der Bürgermeister
gewählt wurde, bestand nur aus den vierundzwanzig mächtigsten Männern der
Stadt, und Doyle war einer von ihnen. Da Doyle dem Justiziar so imponierte,
ließ er ihn die hohe prise auf die Importe, die
in Dalkey an Land gebracht wurden, kassieren, und er wusste, dass der Kaufmann
außerordentlich gut informiert war. »Er ist mächtig, aber auch scharfsinnig.
Wenn er will, dass etwas geschieht, sorgt er dafür, dass es geschieht.« Der
Justiziar hatte ihm gerade einen umfassenden, vertraulichen Bericht über die
Neuigkeiten, die ihm Robert Harold mitgeteilt hatte, erstattet, und Doyle hatte
aufmerksam zugehört.
»Sollte diese
Mitteilung stimmen«, hatte der Justiziar zu sammengefasst,
»werden sie innerhalb weniger Tage in
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