Die Prinzen Von Irland
Carrickmines einfallen. Die Frage ist,
was sollen wir tun?«
Doyle
ließ sich nicht anmerken, dass er nicht völlig überrascht war, und überlegte
eine Weile.
»Selbst
wenn sich die Mitteilung als falsch herausstellen sollte«, antwortete er dann
bedächtig, »weiß ich nicht, wie Ihr sie ignorieren könntet. Ich glaube, Ihr
müsst Walsh, Harold und einige andere Männer Eures Vertrauens so schnell wie möglich
zu einem Kriegsrat einberufen.«
»Morgen
Mittag, um zwölf«, hatte der Justiziar entschlossen festgesetzt. Und er hatte
hinzugefügt: »Euch möchte ich natürlich auch dabeihaben.«
* * *
Die Einberufung der
Versammlung erreichte Walsh noch am selben Abend, aber ohne jede Erklärung.
Sauber herausgeputzt und in seiner besten Tunika brach Walsh frühmorgens von
Carrickmines auf. Er kam an der aufragenden gotischen Sankt Patrick–Kathedrale
vorbei und betrat wenig später durch eines der Südtore die Stadt, in der die
zwei– bis dreigeschossigen Fachwerkhäuser mit spitzem Giebel längst die strohbedeckten
Behausungen von einst abgelöst hatten.
Die
Burg befand sich im Südosten von Dublin. Wo einst der alte Königshof gestanden
hatte, war nun ein großer Burghof, der durch eine Mauer und einen Graben von
der übrigen Stadt abgetrennt war. Man betrat ihn über eine Zugbrücke. Innen
befanden sich das Münzamt und die zahlreichen Diensträume der königlichen
Beamten. Auch eine kleine Kapelle gab es, die dem früheren englischen König und
Heiligen Eduard dem Bekenner geweiht war.
Als
Walsh die Burg betrat, führte man ihn in ein großes, prächtig möbliertes
Amtszimmer, wo am großen Kamin ein halbes Dutzend Männer standen, die er
kannte, darunter Doyle und Harold. Der Justiziar eröffnete die Sitzung.
»Nichts
von dem, was hier gesprochen wird, darf nach außen dringen«, belehrte er sie.
»Sonst geht uns das wesentliche Überraschungsmoment verloren.« Er hielt inne.
»Meine Herren, heute stehen wir vor einer sehr ernsten Bedrohung.« Er erklärte
den erwarteten Angriff auf Carrickmines. »Uns bleibt eine Woche, um uns darauf
vorzubereiten. Mehr nicht.« Er wandte sich an Walsh. »Gab es irgendeinen
Hinweis?«
Walsh
wollte gerade verneinen, doch dann erinnerte er sich an das dunkelhaarige
Mädchen der O’Byrnes. Er schilderte kurz, wie sie in der Nähe von Carrickmines
herumgeschlichen war. »Damals hielt ich es für unwichtig, aber nach dem, was ich
jetzt höre, könnte es damit Zusammenhängen.«
»Aber
ja doch«, unterbrach ihn Harold. »Ich möchte hier nicht offen legen, wie ich zu
dieser Information gekommen bin, aber dieses Mädchen ist eine
Nachrichtenüberbringerin. Das ist sicher.«
»Gibt
es einen Anhaltspunkt für das Ausmaß des voraussichtlichen Angriffs?«, fragte
Walsh. »Ich bezweifle, dass die O’Byrnes stark genug sind, Carrickmines
einzunehmen.«
Er
hörte Harold ungeduldig murren.
»Wir
müssen diese Bedrohung ernst nehmen, Walsh«, tadelte ihn der justiciar. »Das liegt in unserer Verantwortung. Und in
Eurer«, ergänzte er mit strengem Blick.
»Ich
kann zehn voll bewaffnete Männer zu Pferde zur Verfügung stellen«, bot Harold
an. »Walsh kann sicher ebenso viele aufbringen.«
Zwei
andere Gentlemen gaben an, nur kleine Kontingente beisteuern zu können. Der
Justiziar erwähnte, er erwarte die Nachricht, welche Streitkräfte die Stadt
schicken könne. »Doch wichtig ist«, unterstrich er, »dass wir unsere Kräfte
zusammenziehen, ohne gesehen zu werden. Die O’Byrnes dürfen auf keinen Fall
erfahren, dass wir sie erwarten. Natürlich schränkt dieser Umstand die Anzahl
der Männer, die wir mobilisieren, ein.«
»Was
ist mit der Schwadron in Dalkey?«, fragte Walsh. »Das ist eine wertvolle Truppe
bestens ausgebildeter Leute.«
Doch
zu seinem Erstaunen schaute der Justiziar zweifelnd, und auch Harold schürzte
die Lippen.
»Wir
können nicht sicher sein«, sagte Harold, »dass O’Byrne nicht auch Dalkey
angreifen will. Wir müssen also in Betracht ziehen, dass es O’Byrne zu Ohren
kommt, wenn wir die Schwadron von Dalkey vor dem Angriff nach Carrickmines
verlegen. Wir wollen ihn nicht warnen.«
Eine
peinliche Stille stellte sich ein. Obwohl Harolds Darlegung vernünftig
erschien, hatte Walsh den Eindruck, dass man ihm etwas über die Schwadron von
Dalkey verschwiegen hatte. Er bemerkte auch, dass Doyle bisher zugehört, aber
noch nichts gesagt hatte. Doch nun sprach der finstere Kaufmann.
»Ich
hielt es immer für unwahrscheinlich«, äußerte er ruhig,
Weitere Kostenlose Bücher