Die Prinzen Von Irland
zusammengetrieben und den Weiden des Hochkönigs
zugeführt. In diesem Sommer hatte er sich nach Connacht begeben, wo der König
ihn höflich empfangen und ohne Ausreden bezahlt hatte. Aber es stellte sich
heraus, dass der Betrag nicht vollständig war, und der König von Connacht hatte
mit größter Verlegenheit erklärt, dass sich einer der Häuptlinge von Connacht
geweigert hatte, seinen Anteil zu erbringen. Da das Territorium des Mannes auf
seinem Heimweg lag, hatte der Hochkönig erklärt, er werde die Sache persönlich
regeln.
Als
er das Gebiet des Häuptlings erreicht hatte, war weder der Mann selbst noch
sein Vieh zu finden gewesen, und nach einigen Tagen fruchtloser Suche hatte der
Hochkönig seine Reise unverrichteter Dinge fortgesetzt. Binnen eines Monats war
die Sache auf der ganzen Insel bekannt. Er hatte eine Abordnung seiner Männer
ausgeschickt, um den widerspenstigen Kerl zu ergreifen, aber wieder war der
Mann aus Connacht seiner Ergreifung entwischt. Er hatte beabsichtigt, nach der
Ernte in der Sache endgültig ein ernsthaftes Machtwort zu reden, doch die
Regenfälle hatten ihn daran gehindert, und so war er nun die Zielscheibe des
allgemeinen Gespötts. Dieser Häuptling würde zu gegebener Zeit teuer bezahlen
müssen, aber vorläufig war die Autorität des Hochkönigs geschwächt. Und dennoch
hatte er beschlossen, sich Zeit zu lassen.
»In
diesem Winter dürfte man uns wenig gastfreundliche Aufnahme gewähren«, meinte
seine Frau. Pflegte der Hochkönig im Sommer seinen Tribut einzufordern, so
hatte er im Winter eine andere Art, die Leute seine Gegenwart spüren zu lassen:
Er stattete ihnen einen Besuch ab. Und obwohl sich viele Häuptlinge dadurch
geehrt fühlen mochten, sahen sie dem Moment, wo die königliche Schar wieder
aufbrach, meist mit Freuden entgegen. »Sie haben fast alles aufgezehrt, was wir
an Vorräten besaßen«, lautete die übliche Klage.
»Dieser
windige Häuptling, der Euch Schande macht. Zehn Färsen schuldet er Euch.«
»Genau.
Aber nun werde ich mir dreißig nehmen.«
»Die
solltet Ihr nicht annehmen.«
»Warum
denn nicht?«
»Weil
er etwas viel Wertvolleres besitzt, etwas, was er sorgsam versteckt.«
Stets
verblüffte es den König aufs Neue, wie seine Gemahlin es verstand, die
verborgenen Einzelheiten von anderer Leute Geschäften aufzuspüren.
»Und
was wäre das?«
»Er
besitzt einen schwarzen Stier. Die Leute sagen, er sei der größte auf der
ganzen Insel. Er hält ihn versteckt, da er vorhat, eine ganze Herde mit ihm zu
züchten und ein reicher Mann zu werden.« Sie hielt inne und blickte ihn
hasserfüllt an. »Da Ihr mich mit nichts anderem befriedigt, könntet Ihr mir
wenigstens diesen Stier verschaffen.«
Voller
Verwunderung schüttelte er den Kopf.
»Ihr
seid ja eine wahre Maeve«, meinte er. Jeder kannte die Geschichte der Königin
Maeve, die aus Neid darüber, dass die Viehherde ihres Gemahls einen größeren
Stier als ihre eigene Herde besessen hatte, den großen Sagenhelden und Krieger
Cuchulainn aussandte, um den Schwarzen Stier von Cuailnge zu fangen, und von
dem tragischen Gemetzel, zu dem dies führte. Diese Geschichte gehörte von allen
Götter– und Heldensagen zu denen, welche die Barden am liebsten erzählten.
»Ihr
verschafft mir diesen Stier für meine Herde«, sagte sie.
»Wünscht
Ihr, dass ich ihn Euch persönlich verschaffe?«, fragte er.
»Natürlich
nicht.« Sie starrte ihn finster an. »Das würde sich nicht schicken.« Hochkönige
führten so geringe Unternehmen wie Viehdiebstähle in der Tat nicht persönlich
aus.
»Wen
soll ich dann entsenden?«
»Schickt
Euren Neffen Conall los«, sagte sie.
Als
sich der Hochkönig die Sache durch den Kopf gehen ließ, musste er, und dies
nicht zum ersten Mal, zugeben, dass seine Gemahlin eine kluge Frau war. »Ja,
eine gute Idee«, meinte er nach einer kurzen Pause. »Das könnte ihm vielleicht
den Wunsch aus dem Kopf schlagen, ein Druide zu werden. Aber ich denke«, fuhr
er fort, »wir sollten damit besser bis zum nächsten Frühling warten.«
Und
diesmal war es die Königin, die ihrem Gemahl einen Blick voller Hochachtung
zuwarf. Denn sie ahnte, was in seinem Kopf vorging. Vermutlich hatte er den
Fall Connacht absichtlich noch nicht erledigt. Sollte es unter den vielen
Häuptlingen der Insel nämlich Neigungen geben, seine Autorität zu schwächen, so
würde er ihnen während der Wintermonate die Zeit geben, ihr wahres Gesicht zu
zeigen. Er würde sie in dem Glauben wiegen, sie
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