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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nicht.
    »Es
ist schon zwei Monate her«, wiederholte sie, »zwei Monate, seit Ihr mich zum
letzten Mal umfangen habt.«
    »So
lange schon?«
    »Zwei
Monate.« Sollte sie die Ironie in seinem Ton bemerkt haben, so ignorierte sie
sie.
    »Dann
müssen wir es dringend wieder tun, meine Liebste«, fuhr er in seinem falschen
Ton fort. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich immer und immer wieder in
Liebe umarmt hatten, aber diese Zeit war vorbei. Ihre Söhne waren längst
erwachsen. Der Hochkönig blickte weiter starr auf die Landschaft.
    »Nichts
tut Ihr für mich«, sagte sie mürrisch.
    Er
zögerte, schnalzte dann leise mit der Zunge und wies mit der Hand nach links.
    »Wollt
Ihr gütigst einmal dorthin blicken?«
    »Was
gibt’s dort?«
    »Schafe.«
Interessiert beobachtete er ihr Treiben. »Gerade ist der Widder bei ihnen.« Er
schmunzelte befriedigt. »Er ist im Stande, hundert Schafe zu bespringen.«
    Die
Königin ließ ein verächtliches Schnauben vernehmen, dann folgte wieder Stille.
    »Ein
Nichts!«, platzte sie dann plötzlich heraus. »Ein Ding wie ein schlaffer,
nasser kleiner Finger. Das ist alles, was ich bekomme! Nichts, woran eine Frau
sich festhalten kann. Ich hab sogar einen Fisch gesehen, der steifer war. Ich
hab sogar eine Kaulquappe gesehen, die größer war. Euer Vater hatte drei
Gemahlinnen und zwei Konkubinen. Fünf Frauen, und er konnte sie alle bedienen.«
Die Menschen auf der Insel sahen in der Monogamie nichts besonders
Tugendhaftes. »Aber Ihr…«
    »Schau,
jetzt hat sich diese Wolke schon fast von der Sonne verzogen.«
    »Ein
Nichts seid Ihr für mich, zu nichts zu gebrauchen.«
    »Und
doch«, er ließ sich Zeit, sprach in einem nachdenklichen Ton, als spräche er
von einem historischen Kuriosum, »und doch dürfen wir nicht vergessen, dass ich
eine Stute besprungen habe.«
    »Behauptest
du.«
    »O
nein, das ist wirklich geschehen. Denn sonst hätte ich kein Recht, hier zu
sitzen.«
    * * *
    Das
Initiationsritual, das auf der Insel ausgeführt wurde, wenn ein großer Clan
einen neuen König gewählt hatte, reichte bis in die Nebel der Vorzeit zurück
und gehörte einer Tradition an, die unter den indoeuropäischen Völkern von
Asien bis zu den westlichen Ausläufern Europas verbreitet war. In dieser
Zeremonie wurde zunächst ein weißer Stier getötet, und darauf musste der
künftige König sich mit einer heiligen Pferdestute vereinigen. Die irischen
Sagen stellten das ebenso deutlich dar wie die indischen Tempelreliefs. Die
Stute war in der Regel nicht besonders groß. Von mehreren kräftigen Männern
gehalten und mit den Gesäßbacken in geeigneter Weise gespreizt, wurde sie dem
künftigen König präsentiert, der, so lange er – durch welche Mittel auch immer
erregt werden konnte, keine große Mühe hatte, sie zu penetrieren. Ein passendes
Ritual für ein Volk, dessen Führer, seit es aus den Ebenen Eurasiens
aufgetaucht war, aus Männern bestand, die mit dem Pferd praktisch verheiratet
waren.
    * * *
    Ob die Königin noch
an die Stute dachte oder nicht, war schwer zu sagen; aber nach einer Weile
ergriff sie wieder das Wort, diesmal mit leiser Stimme: »Die Ernte ist
vernichtet worden.«
    Unwillkürlich
blickte der Hochkönig in die leere Halle zurück, in der das dreigesichtige
Haupt von seinem Totempfahl in die ihn umgebenden Schatten starrte.
    »Und
Ihr seid schuld daran«, fügte die Königin hinzu.
    Der
Hochkönig war ein gewiefter Politiker mit großer Menschenkenntnis. Sein Clan
war voller Ehrgeiz aus dem Westen gekommen. Mit der Behauptung, er würde von
mythischen Gestalten wie dem berühmten Conn der hundert Schlachten und Cormac
Mac Art – Helden, die sie vielleicht sogar nur erfunden hatten – abstammen,
hatte der Clan bereits viele Ulster–Häuptlinge von ihrem Grund und Boden
vertrieben. Der Aufstieg des Clans hatte in den Erfolgen gegipfelt, die seine
Mitglieder ihrem heroischen Führer Niall zuschrieben.
    Wie
viele erfolgreiche Führer der Geschichte war auch Niall erst Pirat gewesen.
Schon in seiner Jugend hatte er Raubzüge auf die britische Insel geleitet,
welche die römischen Legionen verlassen hatten. Zumeist hatte er Knaben und
Mädchen geraubt, die er dann auf den Sklavenmärkten verkaufte; die Gewinne
daraus konnte er für sich selbst und seine Gefolgschaft nutzbar machen. Wenn
sich ein König einem anderen unterwarf, war es Brauch, dass der Unterworfene
Tribut zahlte, und zwar gewöhnlich in Form von Vieh; als Garantie für seine
fortwährende

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