Die Prinzen Von Irland
einfach dessen Vieh. Der einzige Unterschied zwischen den
alten und den neuen Zeiten war, dass Kildare die Artillerie des Tudorkönigs zur
Verfügung hatte.
Nachdem
die Talbots weggegangen waren, sah Joan ein anderes Grüppchen auf sich
zukommen: Ausländer, die den Bürgermeister von Dublin begleiteten; darunter
befanden sich ein Priester, den Joan für einen Italiener hielt, ein
aristokratischer, schwarz gekleideter Herr, der bestimmt aus Spanien stammte,
und zwei Damen, deren von Juwelen aufblitzende Mieder und Kleider äußerst
kostbar waren. Doch am meisten beeindruckte Joan eine besonders stattliche
Gestalt, ein Mann mit Kniehose und wattierten Beinen. Sein eng anliegendes
Doublee, das mit Goldfäden bestickt und mit Perlen besetzt war, hatte große, an
den Schultern geschlitzte Puffärmel. Nie zuvor hatte sie jemanden so gekleidet
gesehen, doch sie wusste genug, um zu ahnen, dass dies die aristokratische Mode
am englischen Hof war. Er bewegte sich mit der Grazie einer großen Katze auf
sie zu; sie hörte ihn einige Worte auf Französisch zu den Damen sagen, die
daraufhin lachten; und sie fragte sich, wer wohl dieser prachtvolle Höfling
sein könnte. Plötzlich erkannte sie ihn ein wenig erschrocken. Es war der Graf
von Kildare.
Nur
wenig später stellte sie der Bürgermeister einander vor. Mit freundlich
zwinkernden Augen sprach Kildare einige passende Worte, und das Grüppchen ging
weiter und ließ eine sie fasziniert betrachtende Joan zurück.
Sie
hatte gewusst, dass der Graf von seinem Vater für viele Jahre an den englischen
Hof geschickt worden war. Dort hatte er Freundschaft mit dem jetzigen König
Heinrich VIII. geschlossen. Und sie hatte gewusst, dass der englische Hof heutzutage
eine Hochburg der Bildung war, wo von den Höflingen erwartet wurde, dass sie
sich mit klassischer Literatur, den Künsten, den Fertigkeiten zu tanzen, dem
Lautenspielund dem Verseschreiben vertraut machten. Doch
nun hatte sie zum ersten Mal das goldene Gesicht der Renaissance erblickt, und
sie erspürte diese neue Welt, auch wenn sie nicht genau wusste, was sie
ausmachte.
»Beeindruckt?«
Ihr Mann sah Joan belustigt an.
»Er
kommt mir vor wie ein Mann, der in einer anderen Welt lebt.« Sie lächelte. »Mit
den Engeln im Paradies.«
»Ja,
das kann man sagen«, stimmte Doyle nachdenklich zu, während Kildare und sein
Gefolge weitergingen. »Und in gewisser Weise«, fuhr er leise fort, »auf unsere
Kosten. Er quartiert seine Truppen bei Leuten ein, wann immer es ihm gefällt. Er
besteuert hoch und behält all das Geld für sich. Darum kann er mit Leichtigkeit
sein neues College stiften. Manchen Leuten wären Reformen sehr willkommen.«
Ihr
ganzes Leben lang hatte Joan Leute über Reformen in Irland reden hören, aber
sie hatte gelernt, es nicht allzu ernst zu nehmen. »Meine Verwandten aus der
Butler–Familie beschwerten sich dauernd über die Fitzgeralds«, bemerkte sie mit
einem Lachen. »Doch ich bin mir sicher, dass sie, falls sie Gelegenheit dazu
hätten, sich genauso verhalten würden.« Wieder etwas ernster sah sie Doyle an
und betonte: »Der Graf von Kildare genießt heute mehr denn je, heißt es, die
Freundschaft des Königs.«
Doyle
nickte nachdenklich. Sie sah, wie sein Blick Kildare folgte, der seine
Begrüßungsrunde unter den Gästen fortsetzte.
»Ich
erzähle dir eine Geschichte«, sagte er. »Vor vielen Jahren hatte der Vater des
Königs zwei Ratsmitglieder. Sie hatten ihm viele Jahre ergeben gedient. Und als
Heinrich Tudor starb, befand sich dank ihnen mehr Geld in der königlichen Schatzkammer
als jemals zuvor in der englischen Geschichte. Der jetzige König hatte die
beiden Männer sein ganzes Leben lang gekannt. Sie waren wie Onkel für ihn. Doch
durch die guten Dienste für seinen Vater hatten sie sich viele Feinde gemacht. Als also der alte König starb, wollte das englische
Parlament sie ihres Amtes entheben.« Er schwieg einen Moment. »Und weißt du,
was der junge Heinrich tat? Er ließ beide hinrichten. Ohne auch nur eine
Sekunde zu zögern. Weil es ihm gerade passte.« Wieder schwieg er. »König
Heinrichs VIII. Freundschaft ist gefährlich, denn er liebt nur sich selbst.«
Joan
sah nun Kildares goldener Gestalt nach, und das graue Oktoberlicht auf seinem
Rücken erschien ihr jetzt noch fahler.
Dann
entdeckte sie die Frau mit den roten Haaren.
MacGowan
klärte sie rasch auf, dass sie die Frau von William Walsh sei. »Ich habe bei
ihnen draußen Geschäfte abgewickelt. Sie kommt nur recht
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