Die Prinzen Von Irland
der
Bürgermeister und seine Mitreiter die äußeren Grenzen der weitreichenden Fläche der Stadt. Es war nicht nur ein Zeremoniell,
sondern auch ein rechtlicher Akt. Wenn ein Landbesitzer, und sei es die Kirche,
Einspruch erhob gegen die Ausdehnung der Besitzungen der Stadt, konnte er
gewiss sein, dass der Bürgermeister seinen Anspruch entweder mit einem
Gerichtsverfahren oder gar mit körperlicher Gewalt durchsetzen würde. Dublin
mochte zwar nur ein Zehntel der Größe des mächtigen London umfassen, doch es
war eine bedeutende Stadt und der Schlüssel zur Macht in Irland. Schon seit
geraumer Zeit waren die reichen Dubliner Ratsherren daran gewöhnt, dass
englische Könige um ihre Gunst buhlten und ihren Stolz nährten.
Selbst
die Verstrickungen der Dubliner in die Geschichte mit Lambert Simnel, dem
königlichen Knaben, hatten ihnen nicht geschadet. In Wahrheit hatte es nur dazu
geführt, dass Heinrich Tudor noch sorgsamer auf eine gute Beziehung zu Dubliner
Ratsherren achtete; und sein Sohn Heinrich VIII. hatte in den letzten neun
Jahren dieselbe Politik verfolgt. Die Botschaft des königlichen Hofes an die
führenden Bürger Dublins war eindeutig. »Der König von England möchte Euch als
Freunde.« Deswegen war es nicht unbedeutend, die Frau des Ratsherrn Doyle zu
sein.
Fünfundzwanzig
Jahre waren vergangen, seit Margaret mit ihrem Vater die Familie von Henry Butler
gesehen hatte; und hätte ihr der Vater nicht die schreckliche Sache über die
Erbschaft der Butlers erzählt und den Schmerz, den er darüber empfand, hätte
sie sicherlich längst vergessen, wie sie aussahen. Doch gerade deswegen waren
ihr die drei Gesichter – von Butler, seiner Frau und des kleinen Mädchens –
lebhaft in Erinnerung geblieben. Und nun wurde ihr plötzlich klar, dass diese
Frau hier ganz genauso aussah wie Butlers Frau vor all diesen Jahren. War es
möglich, dass dies Joan, das hübsche kleine Mädchen von früher, war?
Erschrocken stellte Margaret fest, dass es vom Alter her passen würde.
Margaret
drehte sich um, um sie genauer zu betrachten, und merkte, dass diese Frau sie
in der Zwischenzeit beobachtet und – wie es ihr schien – wieder erkannt hatte.
Sie weiß also, wer ich bin, dachte Margaret. Und als sie gerade überlegte, was
sie nun heute von der Butler–Tochter zu halten habe und ob sie sie vielleicht
ansprechen sollte, sah sie etwas, das sie zuerst frösteln ließ und ihr dann
Übelkeit verursachte: Die Frau grinste sie hämisch an. Und als Margaret in
aufflammender Wut zu ihr hinüberstarrte, drehte sie sich zur Seite.
Margaret
ermahnte sich selbst, ihren Stolz zu wahren. Doyle, der Mann dieser hochnäsigen
Frau, mochte zwar reich sein, aber er war noch immer ein Kaufmann. Ihr eigener
Mann hingegen war nichts Geringeres als ein Edelmann, ein Enkel des Walshs von
Carrickmines, und bedeutend genug, dass man ihn einlud, am heutigen Riding of Franchise teilzunehmen. Ihr Landbesitz lag zwar im
südlichen Randgebiet statt in Fingal und mochte nur ein bescheidenes Einkommen
abwerfen, aber ihr Ehemann war in England erzogen worden, und sein Verdienst
als Jurist glich das Defizit der Ländereien aus. Ich habe keinen Grund,
schärfte Margaret sich ein, mich minderwertig zu fühlen, wenn ich dieser Frau
begegne, deren Familie meine um eine Erbschaft betrogen hat. Doch als sie sich
an das hässliche kleine Grinsen erinnerte, stieg immer noch Wut in ihr auf. Es
wäre besser, sie zu meiden, ihr aus dem Weg zu gehen und nicht mehr über sie
nachzudenken.
Welcher
selbstzerstörerische Geist veranlasste sie also kurz darauf, sich in die Nähe
von Doyles Frau zu drängen?
»Da ist mein Mann.«
Joan Doyle winkte mit einem seidenen Taschentuch. »Er sieht mich noch nicht.
Sie werden bestimmt alle mächtig Hunger haben.«
Joan
Doyle hatte viel Kummer erlebt; doch heute fühlte sie sich wie der glücklichste
Mensch auf der Welt. Mit achtzehnwurde sie einem Edelmann
bei Waterford zur Frau gegeben. Sechs Jahre später, als sie bereits zwei Kinder
durch Fieber verloren hatte, starb ihr drittes Kind, und ihr Mann kam bei einem
Schiffsunglück ums Leben. Mit vierundzwanzig war sie Witwe, und viele Monate
lang verharrte sie in stiller Trauer, aus der sie kein Entrinnen sah.
Doch
dann lernte sie John Doyle kennen, der sie mit großer Geduld allmählich aus
ihrem Elend holte und nach etwas mehr als einem Jahr heiratete. Das war sechs
Jahre her, und nun wurde Joan Doyle durch ein Zuhause und zwei Kinder ein
größeres Glück
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