Die Prinzen Von Irland
Praktiken, welche der Papst
hasste. Als die Engländer vor Jahrhunderten nach Irland kamen, hatten sie diese
Laster eigentlich ausmerzen sollen.
Die
Kirche war auch in Irland der Nährboden der Kultur und der Bildung. Die höhere
Priesterschaft bestand durchweg aus gebildeten Männern. Doch eines vermissten
die Iren selbst in ihrem Land: Universitäten. Ehrgeizige junge Männer, die
Priester werden wollten, mussten sich nach Paris, Italien oder – was üblicher
war – nach Oxford oder Cambridge begeben. Erst 1518 wurde ein erster Schritt
unternommen, um an dieser Situation etwas zu verbessern. Und die Doyles, Tidys und
MacGowans waren daran beteiligt.
Sie
waren eine lebhafte Festgesellschaft. Da war Doyle, groß und gut aussehend und
mit einem prächtigen Pelzhut, an den er eine runde, mit Juwelen besetzte
Brosche gesteckt hatte. Joan saß in perlenbesticktem, üppigem braunem Samt glücklich
neben ihm in der Kutsche, die mit gepolsterten Sitzen und Seidenvorhängen
ausgestattet war. Im Wagen saßen auch James MacGowan und seine Frau. Sie waren
zurückhaltender gekleidet, wie es sich für ihre weniger gehobene Stellung
ziemte. Vorn neben dem Kutscher hockte Tidy, ein Handschuhmacher, den MacGowan
mitnahm, weil er gerade seine Lehre beendet hatte. Es war ein trüber
Oktobertag, doch zwischen den Wolken taten sich helle Risse auf, und nichts
deutete auf Regen hin, als sie nach Maynooth rollten.
Die
Burg von Maynooth lag etwa ein Dutzend Meilen westlich von Dublin. Weit größer
als die befestigten Herrensitze des Adels wie Malahide war sie eines von
mehreren beeindruckenden Zentren, wo der mächtige Graf von Kildare Hof hielt.
Und der Graf hatte Maynooth bestimmt wegen seiner Nähe zu Dublin und der Lage
mitten im Pale für seine neue religiöse Stiftung auserkoren.
Das
neue College von Maynooth war nahe der Burg untergebracht. Es hatte einen
Festsaal, eine Kapelle und einen Schlafsaal. »Wenn ich den Ehrgeiz der
Fitzgeralds, die ja hierfür spenden, richtig kenne«, sagte Doyle, »dann ist das
erst der Anfang.« Alle wussten, dass die Universitäten von Oxford und Cambridge
auch in solch kleinen Colleges ihren Anfang genommen hatten.
Jetzt
war das Gebäude fertig gestellt, und der Graf hatte von nah und fern zum
Weihegottesdienst eingeladen.
Und
alle waren sie nach Maynooth gekommen: die Fitzgeralds, Butlers, Talbots und
Barnewalls, königliche Beamte aus Dublin und einige der größten irischen
Oberhäupter von außerhalb des Pale. Denn obwohl das neue College eindeutigein Triumph für die Fitzgeralds war und im Pale lag, gereichte diese Gründung dennoch der
ganzen Insel zur Ehre.
Kaum
waren die Doyles eingetroffen, wurden sie von einer Gästeschar umringt. Sogar
die Talbots von Malahide begrüßten sie freundlich. Trotz all des Reichtums des
Ratsherrn Doyle geschah es nicht alle Tage, dass die stolzen Talbots auf ihn
zugingen. »Weil sie wissen, dass du eine geborene Butler bist«, sagte er
lächelnd zu Joan. Doch was Joan sich wirklich erhoffte, war, dem Grafen von
Kildare von nahem zu begegnen.
Natürlich
hatte sie ihn ab und zu in Dublin gesehen, wenn er in die Burg oder in das
große Stadthaus der Kildares ging. Aber da war er immer eine von Gefolgsmännern
abgeschirmte, distanzierte Person. Sogar vor seinem Stadthaus standen mit deutschen
Musketen bewaffnete Wachposten. Als sie ihn das letzte Mal auf der Straße
gesehen hatte, umgab ihn eine Phalanx von gallowglasses, wie man die Furcht erregenden schottischen
Söldner mit ihren grausamen Streitäxten nannte, die sich nun manche Oberhäupter
der Insel als Leibwächter und Stoßtrupp hielten.
Heinrich
Tudor war vor zwanzig Jahren noch zynisch zu dem Schluss gelangt, es sei
leichter, den alten Grafen in Ruhe zu lassen, als ihn zu brechen; das
Verhältnis der jungen Generation hingegen gestaltete sich enger. Der jetzige
Graf von Kildare und König Heinrich VIII. waren Freunde, und in den letzten
Jahren hatte der englische König seinen Freund Irland beinahe nach eigenem
Gutdünken regieren lassen. Kildare wurden alle Einkünfte der Krone zugestanden,
und solange er für Ordnung sorgte, musste er nicht einmal die Bücher vorlegen.
»In
Wahrheit ist der Graf von Kildare heute praktisch der Hochkönig von Irland«,
hatte Doyle einmal zu Joan gesagt. Was die Aufrechterhaltung der Ordnung
anging, überfiel er, wie es die Hochkönige in den Jahrhunderten zuvor getan
hatten, die Gebiete eines jeden Oberhaupts, das ihm Schwierigkeiten
bereitete, und raubte
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