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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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verhaften«, protestierte sie. »Ich habe nichts Unrechtes
getan.«
    »Das
sehen wir dann im Tholsel«, erwiderte der Mann vorn.
    Die
windschiefe alte town
hall , die Stadthalle, mit ihren schweren Giebeln
war ein Gebäude, auf das die Dubliner Stadtbehörde nicht sehr stolz sein
konnte. Jedes Jahr forderte einer der Ratsherren, dass es renoviert werden
müsse, und alle stimmten zu; doch irgendwie war nie das Geld dafür da. »Das
machen wir nächstes Jahr«, sagten sie immer. Dennoch zeigte die kaputte alte
Fassade des Tholsel, die auf die Christ Church sah, so etwas wie eine schäbige
Würde. Und heute hatten Stadtdiener beschlossen, Männer hinauszuschicken, um
auf den Straßen der Stadt nach Übeltätern – und nützlichen Bußgeldern – zu
suchen. Sie warteten auf Cecily in einem oberen Amtszimmer.
    Ihr
ganzes Vergehen bestand darin, dass sie ein safranfarbenes Tuch auf dem Kopf
trug.
    »Euer
Name?«
    »Cecily
Baker.« Sie war Engländerin, die in Dublin ihren Wohnsitz hatte, und als solche
war es ihr nicht erlaubt, einsafranfarbenes Kopftuch zu
tragen, wie es unter den einheimischen Iren verbreitet war.
    In
Dublin gab es eine Fülle an Gesetzen, die den Leuten vorschrieben, was sie
anziehen durften. Handwerker durften sich nicht wie Ratsherren kleiden, die
gesellschaftlich über ihnen standen; Nonnen war es verboten, feine Pelze zu
tragen. Diese Kleidervorschriften dienten der Aufrechterhaltung der
gesellschaftlichen Ordnung und der Moral. Einige Gesetze wurden mehr beachtet
als andere; doch wenn die Behörden Geld brauchten, machten sie Ernst mit den
Verfügungen.
    Nachdem
Cecily alle Fragen beantwortet hatte – sie war unverheiratet, aber verlobt,
Näherin von Beruf und wohnte am südlichen Stadttor fragte sie, ob sie nun gehen
dürfe.
    Doch
zu Cecilys Überraschung beharrten die Beamten darauf, dass jemand kommen und
für sie bürgen müsse. Also nannte sie ihnen den Namen des jungen Mannes, den
sie heiraten würde: Henry Tidy, der Handschuhmacher. Ein Bote wurde ausgesandt,
ihn zu holen. So lange sollte die junge Näherin draußen auf der Holzbank
warten.
    Cecily
Baker war eine ernste junge Frau. Sie hatte ein rundes Gesicht, rote Wangen,
eine spitze Nase und ein hinreißendes Lächeln. Vor allem aber hatte sie sehr
unumstößliche Ansichten. Zum Beispiel die, dass die Kirche heilig sei und der Glaube
entschlossen verteidigt werden müsse. Die Leute in anderen Ländern – sie hatte
von Luther und den so genannten protestantischen Reformern auf dem Kontinent
gehört –, die die seit Jahrhunderten geheiligte Ordnung Umstürzen wollten,
waren ihrer Meinung nach Saboteure und Verbrecher; und wenn ein vernünftiger
katholischer Monarch wie König Heinrich VIII. von England sie verbrennen
wollte, erhob sie keine Einwände. Cecily ging regelmäßig zur Messe und beichtete
dem Priester ihre Sünden; vor allem ihre fleischlichen Begierden, die sie mit
ihrem Verlobten recht zügellos auslebte.
    Und
vielleicht flößte diese Gewissheit, dass sie all ihre religiösen
Verpflichtungen erfüllte, Cecily die Überzeugung ein, dass die weltliche
Behörde kein Recht habe, gegen sie vorzugehen. Ihr war vollkommen klar, dass
ihre Verhaftung – nur weil sie ein altes Tuch ihrer Mutter getragen hatte –
absurd war. Sie kannte das Gesetz, merkte jedoch, dass die Männer im Tholsel
ganz einfach versuchten, Bußgelder zu kassieren. Sie wünschte sich nur, dass
Henry Tidy endlich auftauchte. Nach einer Weile fühlte sie sich ziemlich einsam
auf der harten Holzbank.
    Sie
musste fast eine Stunde warten. Als er schließlich kam, war er nicht allein.
Und er sah besorgt aus.
    Sie
stand auf, um ihn zu begrüßen, und lächelte. Aber zu ihrer Überraschung machte
er keine Anstalten, auf sie zuzugehen. Er blieb dort stehen, wo er war. Sein
Gesicht war angespannt, er sah sie aus seinen blauen Augen vorwurfsvoll an.
    »Du
hast meinen Namen angegeben.«
    Natürlich
hatte sie das getan. Würden sie denn nicht heiraten? War es denn nicht seine
Aufgabe, sie zu beschützen?
    »Sie
sagten, es müsse jemand für mich bürgen.«
    »Ich
habe MacGowan mitgebracht.«
    »Aha.«
Sie nickte dem Kaufmann höflich zu. Wie kam es, dass sie sich in seiner
Gegenwart unbehaglich fühlte? Lag es an seinem suchenden Blick? Oder war es nur,
weil er den Ruf hatte, sehr geschickt zu sein, und sie nie genau herausfinden
konnte, was er dachte? Doch sie wusste, dass viele Leute MacGowan vertrauten
und ihn um Rat fragten.
    »Er
hat die Bürgerrechte«, erklärte

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