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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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musste.
    »Es ist sinnlos, wenn
wir ertrinken, Vater«, meinte einer von ihnen.
    »Sollen wir Deirdre
vielleicht mitnehmen und Euch zurücklassen?«, Fergus’ Stimme wurde schrill.
Conall antwortete nicht, aber Deirdre ergriff ihren Vater am Arm.
    »Ich kann ihn nicht
im Stich lassen, Vater«, murmelte sie. Und obwohl er ungeduldig nach dem Himmel
sah, zog sie ihn beiseite und fuhr fort: »Warte noch einen Tag. Vielleicht
fühlt er sich morgen anders.« Und da es keine andere Wahl zu geben schien,
konnte Fergus nur mit den Schultern zucken und seufzen. Bevor er wieder
aufbrach, warnte er Conall jedoch: »Ihr habt nicht viel Zeit. Denkt gefälligst
auch einmal an Deirdre und an das Kind.«
    Als ihr Vater und
ihre Geschwister wieder davongesegelt waren, beobachtete Deirdre eine Weile
einen Schwarm Seemöwen, die sich immer wieder von dem Kiesstrand erhoben und
kreischend in den blauen Septemberhimmel flogen. Conall saß wie in Trance an
ihrer Seite.
    »Was soll nun aus uns
werden, Conall?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Warum möchtest du
denn nicht mit uns fortgehen? Ist es, weil du in der Nacht einen Traum
hattest?« Er antwortete nicht, aber sie vermutete, dass er tatsächlich einen
Traum gehabt hatte. »Ist es, weil du mit den Göttern gesprochen hast? Sag mir
die Wahrheit, Conall. Was weißt du?«
    »Dass ich hier zu
warten habe, Deirdre. Das ist alles.«
    Sie blickte in sein
blasses schönes Gesicht.
    »Ich werde bei dir
bleiben«, sagte sie.
    Da streckte er die
Hand aus und hielt die ihre, damit sie begriff, dass er sie liebte, und sie
fragte sich, ob er vielleicht seine Meinung ändern würde, bevor der morgige Tag
anbrach.
    *
* *
    Als
sie erwachte, war der Himmel klar, aber über dem Boden lag eine dünne Schicht
Nebel. Sie blickte über das Wasser zum Strand der Küste, und alles schien
ruhig. Sicher war es noch zu früh dafür, dass jemand, der vom Hochkönig
ausgeschickt worden war, hier eintreffen könnte. Doch dann fesselte plötzlich
etwas in der so genannten Ebene der Vogelscharen ihren Blick.
    Die winzige Gestalt,
die sich auf der nebligen Ebene näherte, erinnerte aus der Ferne an einen
flatternden Vogel. Über der weiten Ebene breitete sich der Nebel in zerrissenen
Schleiern aus, und dieses Weiß ergoss sich bis über die Küste und die See, so
dass Deirdre nicht unterscheiden konnte, ob das, was darunter lag, Erde oder
Wasser war. So konnte sie nur vermuten, dass das vogelartige Wesen ein Mann in
wehendem Umhang war, der in einem Streitwagen herangejagt kam, es sei denn, es
war vielleicht einer der Götter oder ihrer Boten, der sich in einen Raben oder
Schwan oder ein anderes fliegendes Wesen verwandelt hatte, um ihnen einen
Besuch abzustatten.
    Dann hielt das geisterhafte
Wesen an der Stelle an, wo der Strand sein musste. Deirdre hätte schwören
können, dass es ein graziler Hirsch war. Aber nach einem kurzen Moment
verschwand das Wesen im Nebel und tauchte sogleich wieder auf, als könnte es
willentlich seine Gestalt verändern, und trieb, ganz langsam dahingleitend,
reglos und grau wie ein aufrecht stehender Menhir auf ihre kleine Insel zu.
    Sie blickte sich um,
hoffte, sie würde das Boot ihres Vaters um die Halbinsel am Ende der Landzunge
biegen sehen. Stattdessen erblickte sie Conall, der mit ernster Miene hinter
ihr stand.
    »Das ist Larine«,
sagte er.
    »Es sah so aus, als
hätte er mehrmals seine Gestalt verändert, während er sich näherte.«
    »Er ist ein Druide«,
erwiderte er. »Wahrscheinlich könnte er sich sogar unsichtbar machen, wenn er
es wollte.« Und nun erkannte auch sie, dass es Larine war, der sich von seinem
Wagenlenker in einem kleinen curragh zu ihnen
herüberrudern ließ. »Komm, Conall«, sagte er ruhig, während er an Land trat,
»wir müssen miteinander reden.« Und als sich Deirdre beängstigt nach Conall
umwandte, sah sie zu ihrer Verwunderung, dass ihr Geliebter erleichtert wirkte.
    Eine
geraume Weile standen sie ein Stück weit von ihr entfernt wie zwei Schatten
beisammen und schienen in den Nebelgirlanden zu schweben, die sich am
Meeresufer entlangzogen; und die Sonne war gerade über dem Horizont
aufgetaucht, als die Männer zu ihr traten. Deirdre sah sofort, dass Conalls
Miene wie gewandelt war. Die Trauer und die Verzweiflung waren aus seinen
Gesichtszügen geflohen, und mit einem freundlichen Lächeln ergriff er ihre
Hand. »Alles ist wieder gut. Mein Onkel und ich sind wieder versöhnt.«

3
    Samhain: das einstige Hallowe’en, die Zeit,
in der die Geister

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